Aktuell 21. Januar 2016

1. Amnesty-Menschenrechtspreis 1998

Menschenrechtspreis - Skulptur

In allen Teilen der Welt setzen sich Frauen und Männer für die Verwirklichung der Menschenrechte ein. In vielen Ländern geraten sie deswegen mit ihren Regierungen in Konflikt. Für ihren Mut bezahlen sie häufig einen hohen Preis. Immer wieder werden Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler inhaftiert, wenn sie die Grundrechte von Gefangenen einfordern. Sie "verschwinden", weil sie Entführungen und politische Morde untersuchen oder gegen staatliche Gewalt protestieren. Sie werden sogar ermordet.

Die deutsche Sektion von Amnesty International hatte zwölf Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler aus der ganzen Welt nach Frankfurt am Main eingeladen. Diese Frauen und Männer standen vom 4. bis zum 6. Dezember 1998 auf dem Amnesty-Kongreß "Zukunft für die Menschenrechte" in der Paulskirche im Mittelpunkt. Sie berichteten dort über ihre Arbeit und die unterschiedlichen Bedingungen und Schwierigkeiten, auf die sie in ihren Heimatländern stoßen. Zum Abschluß wurden sie für ihr Engagement mit dem Amnesty-Menschenrechtspreis geehrt.

In der Laudatio von Amnesty International für die Preisträgerinnen und Preisträger hieß es:

"Wir verdanken Ihnen sehr viel. Sehr oft wäre unsere Arbeit für die Menschenrechte ohne Ihre Informationen, die Sie an uns weitergeben, gar nicht möglich. Aber die Bedeutung geht weit darüber hinaus. Wir wissen, daß Sie in Ihrer jeweiligen Gesellschaft mit Ihrem Eintreten für die, die Angst haben, sich zu wehren, für die, die sich nicht wehren können oder dürfen, nicht nur ein Risiko für sich und Ihre Familien und Freunde eingehen, sondern daß Sie beispielhaftes Verhalten zeigen."

Unter den Ausgezeichneten war auch der Vorsitzende des Türkischen Menschenrechtsvereins, Akin Birdal, der nicht am Kongreß teilnehmen konnte, weil die Behörden in Ankara ihm die Ausreise verweigerten.

Binta Jammeh-Sidibe

Binta Jammeh-Sidibe macht sich in Gambia für die Rechte von Frauen stark. Die 42-Jährige widmet sich vor allem der Aufklärung über Geschlechtsverstümmelung. Gemeinsam mit anderen Frauen hat sie in ihrer westafrikanischen Heimat eine Organisation gegründet, die besonders junge bedürftige Frauen unterstützt. Ihre Einrichtung wird finanziell von Terre des Hommes und der Heinrich-Böll-Stiftung gefördert. Binta Jammeh-Sidibe ist verheiratet und Mutter von fünf Kindern.

Andreas Kossi Ezuke

Andreas Kossi Ezuke war von 1991 bis 1996 Geschäftsführer der togoischen Menschenrechtsorganisation LTDH, die sehr unter staatlichen Repressalien zu leiden hatte. Nach der Flucht des LTDH-Präsidenten Maître Jean Dégli konnten die Menschenrechtler nicht mehr wie gewohnt weiterarbeiten. Andreas Kossi Ezuke gründete zusammen mit anderen ehemaligen LTDH-Mitgliedern 1996 die Nichtregierungsorganisation "Alternative für den Frieden". Die togoischen Behörden verfolgten ihn weiter, so daß er ebenfalls ins Exil gehen mußte. Er lebt heute als anerkannter politischer Flüchtling in Deutschland. Andreas Kossi Ezuke hat sein Studium der englischsprachigen afrikanischen Literatur abgeschlossen. Er ist 36 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder.

​​​​​​​Yanette Bautista

Yanette Bautista ist Vorsitzende der kolumbianischen "Vereinigung der Familienangehörigen von 'Verschwundenen’" (ASFADDES) und des lateinamerikanischen Dachverbandes dieser Organisationen (FEDEFAM). Die 40-Jährige Juristin begann mit ihrer Menschenrechtsarbeit 1987, als ihre Schwester Nydia Erika Bautista zusammen mit ihrem Lebensgefährten Cristóbal Triana "verschwand". Seitdem hat sie auch das Kind ihrer Schwester bei sich aufgenommen. Sie erhielt mehrfach Morddrohungen, die gegen sie oder ihre Angehörigen gerichtet waren. 1997 sah sie sich gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Yanette Bautista lebt heute mit ihrem Mann und zwei Kindern in Spanien.

Heberth Hernando Ruiz Rios

Heberth Hernando Ruiz Rios ist Metallarbeiter in der Stahlfabrik Sidelpa in der kolumbianischen Stadt Yumbo. 1990 wurde der 43-Jährige für den Bezirk Yumbo zum Vorsitzenden der Gewerkschaft Sintraime gewählt. Seit 1992 ist Heberth Hernando Ruiz Rios Vizepräsident des nationalen Gewerkschaftsvorstands. Mitglieder der Sintraime sind fortwährend Schikanen von staatlichen Stellen ausgesetzt. Auch Heberth Hernando Ruiz Rios wurde festgenommen und gefoltert.

Waldo Albarracín

Waldo Albarracín ist seit 1993 Vorsitzender der bolivianischen Menschenrechtsorganisation APDH. 1990 war der Juraprofessor Ankläger des "Ständigen Volkstribunals" für die Opfer der Diktaturen unter Hugo Bánzer, Luis García Meza und Alberto Natuch. Waldo Albarracín konnte seit Mitte der 80er Jahre bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen in der Landwirtschaft, bei der Eisenbahn und im handwerklichen Mittelstand häufig Gewerkschafterrechte durchsetzen. Das Engagement des bolivianischen Menschenrechtlers ist vielfältig: Er kämpft sowohl gegen schlechte Haftbedingungen und Drogenhandel als auch für die Rechte von politischen Gefangenen, Frauen, Kleinbauern, Kokapflanzern, Studenten, Lehrern, Flüchtlingen und Pensionären. Waldo Albarracín wurde unter dem Regime von General García Mezas mehrfach inhaftiert. Seither ist er immer wieder bedroht worden. Anfang 1997 wurde er entführt und gefoltert; im September 1997 wurde sein 13-jähriger Sohn nach telefonischen Drohungen entführt, dann aber unverletzt aufgefunden.

Wei Jingsheng

Wei Jingsheng ist der prominenteste chinesische Dissident und Vertreter der chinesischen Demokratiebewegung. 1978 veröffentlichte der heute 48jährige erstmals an der "Mauer der Demokratie" seine Vorstellungen über die "Fünf Modernisierungen" und gab kurz darauf die Zeitschrift "Tansuo" (Nachforschung) heraus. 1979 wurde Wei Jingsheng zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er mußte einen Großteil dieser Zeit in Einzelhaft verbringen, was schwere Krankheiten bei ihm verursachte. 1993 wurde er kurz vor Verbüßung seiner Strafe entlassen, 1994 aber erneut wegen seiner Veröffentlichungen inhaftiert. Wei Jingsheng lebt seit seiner Freilassung und anschließender Abschiebung aus China 1997 im Exil in den USA.

Medha Patkar

Medha Patkar hat 1991 den Alternativen Nobelpreis erhalten. Sie ist die Vorsitzende der "Rettet den Narmada"-Bewegung, die sich für die Rechte der von Großstaudämmen vertriebenen Menschen einsetzt. Außerdem engagiert sich die Inderin als Sprecherin der Vereinigung NAPM, die sich im indischen Bundesstaat Maharashtra gegen Kraftwerksprojekte wendet.

Mukhtar Pakpahan

Mukhtar Pakpahan ist der bekannteste indonesische Gewerkschafter. Seit 1978 ist der 44jährige als Jurist, Universitätsdozent und Redakteur der Wochenzeitschrift "Forum für Menschen- und Arbeiterrechte" aktiv. 1992 wurde Mukhtar Pakpahan zum Vorsitzenden der unabhängigen Gewerkschaft SBSI gewählt. Von 1994 bis 1995 war er in Medan auf Sumatra inhaftiert, später bis 1998 in Jakarta. Nach langjähriger Haft wurde Mukhtar Pakpahan erst nach dem Sturz Suhartos freigelassen. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Akin Birdal

Akin Birdal ist Vorsitzender des Türkischen Menschenrechtsvereins IHD. Der 50jährige ist Agrarwissenschaftler und Universitätsdozent Akin Birdal wurde nach dem Militärputsch von 1980 ein Jahr lang inhaftiert. Er war 1986 Mitgründer des IHD und bis 1992 dessen Generalsekretär. Im selben Jahr übernahm er den Vorsitz. Im Frühjahr 1998 wurde Akin Birdal Opfer eines Mordanschlags, den er schwerverletzt überlebte. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er konnte nicht am Kongreß teilnehmen, weil die Behörden in Ankara ihm die Ausreise verweigerten.

Juri Schadrin

Juri Schadrin arbeitet als frei praktizierender Rechtsbeistand in der russischen Stadt Omsk. Er verteidigt Menschenrechtler und Umweltschützer und ist deswegen mehrfach bedroht worden. Bereits 1977 wurde Juri Schadrin als Jurastudent wegen seiner Weigerung, mit dem KGB zusammenzuarbeiten zu mehreren Jahren Arbeitslager verurteilt. Er hatte danach keine Möglichkeit, sein Studium fortzusetzen. 1995 wurde der heute 49jährige wegen "Beleidigung eines Richters" in einem Zivilrechtsfall inhaftiert. Juri Schadrin hat häufig Korruptionsvorwürfe gegen Beamte und Richter erhoben. Er wird vermutlich von den russischen Geheimdiensten überwacht. Schadrin ist verheiratet und hat eine Tochter.

Mohamed Mandour

Mohamed Mandour ist als Arzt im Hospital des Palästinensischen Roten Halbmonds in Kairo beschäftigt. Außerdem engagiert sich der 50jährige Ägypter mit zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten für die Menschenrechte. Mohamed Mandour ist Koordinator der "Arabischen Regionalen Arbeitsgruppe für Menschenrechte" (ARWGHR) und Vorsitzender des Gesundheits- und Umweltausschusses der ägyptischen Menschenrechtsorganisation EOHR. Von 1989 bis 1994 war er als Mitglied im Vorstand der arabischen Menschenrechtsorganisation AOHR aktiv. Darüber hinaus ist Mohamed Mandour Mitglied der ägyptischen Sektion von Amnesty International. 1991 war Mohamed Mandour einige Monate lang wegen seiner Aktivitäten als Menschenrechtler inhaftiert und ist auch gefoltert worden.

Karima Hammache

Karima Hammache studiert Architektur in Paris. Die 28-Jährige ist Koordinatorin der Vereinigung "Für ein Maghreb der Menschenrechte" und war bis 1996 Europasprecherin der algerischen Nichtregierungsorganisation RAJ. RAJ wurde 1992 gegründet, um Jugendliche "vor der Falle der Gewalt" zu bewahren. Die RAJ organisiert Menschenrechtserziehungsprogramme für Jugendliche in ganz Algerien, insbesondere in den Armenvierteln, Schulen, Universitäten. Außerdem setzt sich RAJ für einen Dialog zwischen den algerischen Konfliktparteien ein. Die Organisation hat ein "Friedensmanifest" veröffentlicht, ein großes Konzert organisiert und Unterschriften für das Manifest gesammelt.

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