Amnesty Report Deutschland 29. März 2011

STELLUNGNAHME ZUR ÜBERARBEITETEN FASSUNG EINES ENTWURFES FÜR EIN 2. RICHTLINIENUMSETZUNGSGESETZ (STAND: 28. OKTOBER 2010)

 

Amnesty International bedankt sich für die Möglichkeit, neben dem ursprünglichen Entwurf nun die überarbeitete Fassung für ein 2. Richtlinienumsetzungsgesetz kommentieren zu können. Hinweisen möchten wir gerne auf unsere vorherige Stellungnahme vom 13. Oktober 2010 zum ersten Entwurf des 2. Richtlinienumsetzungsgesetz, die auch weiterhin gilt. In dieser Stellungnahme bezieht die Organisation sich daher nur auf Änderungen am ersten Entwurf für ein 2. Richtlinienumsetzungsgesetz. Amnesty International begrüßt, dass einige Bemerkungen zu dem ersten Gesetzesentwurf von Amnesty International aber auch von anderen Organisationen – etwa zur Inhaftierung von Minderjährigen, jedenfalls teilweise – aufgenommen wurden. Die Organisation fordert das Bundesinnenministerium auf, weitere Änderungsvorschläge, wie etwa der Forderung nach einer antragsunabhängigen Befristung eines Einreiseverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) oder der Forderung nach der Einführung einer unabhängigen Abschiebungsbeobachtung, im Rahmen der weiteren Überarbeitung des Gesetzesentwurfes zu berücksichtigen.

I. Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auf Grund von § 25 Abs. 3 AufentG-E

Amnesty International ist verwundert darüber, dass die Änderungsvorschläge des ersten Entwurfes für ein Richtlinienumsetzungsgesetzes zur Überarbeitung von § 25 Abs. 3 AufenthG im zweiten Entwurf für ein Änderungsgesetz weggefallen sind. Amnesty International hatte die Änderungsvorschläge sehr begrüßt und fordert, dass diese in einer weiteren Überarbeitung des Gesetzesvorschlages wieder mit Ergänzungen eingefügt wird. Der erste Gesetzesentwurf sah vor, dass bei Vorliegen eines menschenrechtlichen Abschiebungshindernisses, wie es in der Qualifikationsrichtlinie verankert ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden muss. Dieser Änderungsvorschlag hätte endlich - zumindest in Teilen – sichergestellt, dass in Zukunft das Aufenthaltsgesetz mit den Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie in Art. 24 Abs. 2 übereinstimmt, wonach bei Feststellung von menschenrechtlichen Abschiebungshindernissen nach Art. 15 a) – c) eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist.

Amnesty fordert, dass § 25 Abs. 3 AufenthG-E wieder eingeführt wird und insoweit ergänzt wird, dass auch dann eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, wenn Abschiebungshindernisse aus der EMRK vorliegen (§ 60 Abs. 5 AufenthG) oder eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben besteht (§ 60 Abs. 7 S.1 AufenthG). Aus menschenrechtlicher und verfassungsrechtlicher Sicht ist in diesen Fällen keine Abschiebung möglich. Auch aus integrationspolitischer Sicht sollten diese Menschen daher eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, um einen sicheren Schutz zu bekommen, der auf Dauer angelegt ist.

Außerdem sollte § 25 Abs. 3 S. 2 AufenthG gestrichen werden, wonach dann keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie sieht diese Einschränkung für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für subsidiär Geschützte nicht vor. Aus menschenrechtlicher Sicht sollte auch bei den weiteren Abschiebungsverboten, die sich aus der EMRK oder einer Gefahr für Leib oder Leben ergeben, unabhängig von weiteren Voraussetzungen, ein sicherer Status erteilt werden.

In diesem Zusammenhang möchte die Organisation darauf hinweisen, dass auch § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG geändert werden sollte. In § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG ist weiter vorgesehen, dass bei Gefahren, die der Bevölkerung allgemein drohen, ein Zugang zu individuellem Schutz ausgeschlossen wird. § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG verweist auf einen Abschiebungsstopp, der durch die Landesinnenbehörden ergehen muss. In der Praxis werden Abschiebungsstopps aufgrund des Beschlusses der Innenministerkonferenz von 1996 meist nicht gefasst, so dass häufig eine Schutzlücke bleibt. Darüber hinaus ist ein Verweis auf einen Abschiebungsstopp ohnehin nicht sachgerecht: Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie fordert die Erteilung eines Aufenthaltstitels mit einjähriger Geltung für subsidiär Geschützte. Nach Verhängung eines Abschiebungsstopps erhält der Betroffene hingegen nur eine Duldung. Dies wird den Voraussetzungen der Qualifikationsrichtlinie nicht gerecht. Aber auch beim nationalen Abschiebungsschutz wegen drohender Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ist der Verweis auf eine Duldung problematisch. Menschen, die Abschiebungsschutz aus diesen Gründen erhalten, bleiben häufig dauerhaft hier und sollten durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eine realistische Perspektive zur Integration bekommen. Im Übrigen stellt die Duldung keine sicheren Schutz für eine Person dar, die aufgrund von Gefahren für Leib und Leben fliehen musste.

II. Abschiebungshaft § 62 Abs. I AufenthG-E

Amnesty International begrüßt die Veränderung des Entwurfs im Bezug auf die Abschiebungshaft durch das Einfügen eines Abs. 1, in dem festgestellt wird, dass wenn der Haftzweck durch ein milderes Mittel erreicht werden kann, die Inhaftnahme unzulässig ist. Auch die Feststellung, dass die Inhaftnahme nur auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, ist positiv und sollte dazu führen, dass überlange Haftdauern eingeschränkt werden. Amnesty erkennt an, dass in den überarbeiteten Entwurf eingefügt wurde, dass Minderjährige nur solange in Haft genommen werden können, wie es unter besonderer Berücksichtigung ihres Alters angemessen ist. Bemerkenswert ist auch, dass zusätzlich in Art. 62a Abs. 3 AufenthG-E beim Vollzug der Abschiebungshaft auf das Prinzip des Vorrangs des Kindeswohls aus der Rückführungsrichtlinie Bezug genommen wird. Diese Formulierung sieht Art. 17 Abs. 5 der Rückführungsrichtlinie vor. Mit dieser Regelung haben der Rat und das Europäische Parlament bei der Verabschiedung der Richtlinie sehr deutlich gemacht, dass Abschiebungshaft auf Kinder sehr negative Auswirkungen haben kann. Amnesty International ist der Auffassung, dass Abschiebungshaft nie im Interesse des Kindeswohl sinnvoll sein kann. Haft hat auf Kinder in physischer wie psychischer Hinsicht sehr negative Auswirkungen. Gerade bei Kindern sollte nach gesetzlichen Alternativen zur Inhaftierung gesucht werden. Problematisch ist, dass wenn ein Familienangehöriger bei Familien mit minderjährigen Kindern nur ein Elternteil in Haft genommen werden soll. In diesen Fällen wird die erforderliche Familieneinheit nicht gewahrt.

Amnesty International begrüßt, dass der Entwurf für ein 2. Richtlinienumsetzungsgesetz nunmehr entsprechend der Rückführungsrichtlinie vorsieht, dass die Abschiebungshaft grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen wird und wenn es keine solchen Haftanstalten gibt, die Abschiebungsgefangenen getrennt unterzubringen sind. Amnesty International kritisiert aber, dass der Zugang von Hilfsorganisationen in das Ermessen der Vollzugsbehörden gestellt wird, obwohl dies Art. 16 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie anders vorsieht. Danach ist festgelegt, dass Mitarbeitern von Hilfsorganisationen und Unterstützungseinrichtungen Zugang zu den Hafteinrichtungen gewährt wird.

Darüber hinaus setzt der Referentenentwurf die Rückführungsrichtlinie auch insoweit nicht um, als nach Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie eine besondere Aufmerksamkeit auf die Situation schutzbedürftiger Personen gelegt werden muss.

III. Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes § 6 Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetzes

Amnesty International ist darüber verwundert, dass die im ersten Entwurf vorgeschlagene Änderung von § 6 Asylbewerberleistungsgesetz nicht mehr enthält. Nach Art. 14 Abs. 1 d) der Rückführungsrichtlinie müssen die Staaten bis zur konkreten Durchführung der Abschiebung allen schutzbedürftigen Personen eine angemessene Berücksichtigung ihrer besondere Bedürfnisse gewähren. Im ersten Entwurf für eine Änderung des § 6 Asylbewerberleistungsgesetz war die Gewährung der besonderen Bedürfnisse auf Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG beschränkt. Aus Sicht der Organisation sollte diese Beschränkung nicht eingefügt werden, denn es gibt über die Gruppe der Personen hinaus, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG erhalten haben, weitere besonders schutzbedürftige Personen, die die Regelung in Anspruch sollten. Aus Sicht von Amnesty International sollte insgesamt die Gelegenheit zur Überarbeitung von § 6 Asylbewerberleistungsgesetz genutzt werden, um Defizite bei der Behandlung von Traumatisierten und anderen besonders Schutzbedürftigen im Rahmen ihrer medizinischen Betreuung zu beheben.

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