Amnesty Report Vereinigte Arabische Emirate 28. März 2023

Vereinigte Arabische Emirate 2022

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht.

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

Es wurden neue Gesetze in Kraft gesetzt, die die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit erheblich einschränken. Die Behörden hielten zahlreiche Personen, die im Zuge von Massenverfahren inhaftiert worden waren, weiterhin willkürlich und über das Ende ihrer Haftzeit hinaus fest. Sicherheitskräfte misshandelten einen inhaftierten Menschenrechtsverteidiger und einen Andersdenkenden über einen längeren Zeitraum hinweg. Die Regierung lehnte erneut die Anerkennung der Rechte von Flüchtlingen ab.

Hintergrund

Mohammed bin Zayed Al Nahyan trat im Mai 2022 das Präsidentenamt an, nachdem sein Bruder Khalifa bin Zayed Al Nahyan verstorben war und Mohammed bin Zayed durch den Obersten Bundesrat – ein Gremium bestehend aus den Oberhäuptern der sieben Emirate des Landes – zum Nachfolger gewählt worden war.

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) waren weiterhin am bewaffneten Konflikt im Jemen beteiligt und begingen dort als Teil der Militärkoalition regelmäßig schwere Verstöße gegen das Völkerrecht (siehe Länderkapitel Jemen).

Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Die Regierung übte Kontrolle über die Meinungsäußerungen im Land aus und zensierte mitunter als sittenwidrig angesehene Inhalte von Medienbeiträgen oder Kinofilmen. Mindestens 26 emiratische Gefangene waren weiterhin in Haft, weil sie friedlich politische Kritik geäußert hatten.

Im Januar 2022 gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass sie "eine Reihe" von Personen vorgeladen habe, die Videos online gestellt hätten, in denen über Raketenangriffe der jemenitischen Huthi-Miliz auf die VAE berichtet wurde. Die Staatsanwaltschaft wies darauf hin, dass jegliche Berichterstattung über solche Vorfälle in den Sozialen Medien gegen die Gesetze des Landes verstoße.

Im Juni 2022 verbot die Medienaufsichtsbehörde die Vorführung des in den USA produzierten Films Lightyear, weil darin ein gleichgeschlechtlicher Kuss gezeigt wurde.

Ebenfalls im Juni 2022 entließ die Zeitung Al Roeya fast alle Journalist*innen und Redakteur*innen, weil das Blatt darüber berichtet hatte, wie die Bevölkerung auf die steigenden Energiepreise reagierte. Die Zeitung wird von einem Unternehmen herausgegeben, das dem stellvertretenden Premierminister Mansour bin Zayed Al Nahyan gehört. Die Druckausgabe wurde daraufhin eingestellt, während die Website mit einer Notbesetzung online blieb und nur noch Wirtschaftsnachrichten veröffentlichte.

Im August 2022 wiesen die Medienaufsichtsbehörde und die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Digitales das Medienunternehmen Netflix an, gleichgeschlechtliche Inhalte aus seinen Diensten in den VAE zu entfernen, andernfalls drohe Strafverfolgung.

Das neue Strafgesetzbuch, das am 2. Januar 2022 in Kraft trat, brachte einige Strafmilderungen mit sich, behielt jedoch unverhältnismäßig weit gefasste Bestimmungen bei, die die Wahrnehmung der Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit kriminalisieren. Es kam eine neue Klausel hinzu, die die unerlaubte Weitergabe von Regierungsinformationen unter Strafe stellt: Paragraf 178 verbietet es, "ohne Genehmigung" offizielle "Informationen" an irgendeine "Organisation" weiterzugeben, was wörtlich genommen die meisten Übermittlungen von Regierungsinformationen unter Strafe stellt. In Paragraf 184 wurde die Haftstrafe für "Personen, die den Ruf, das Ansehen oder die Stellung des Staates oder seiner führenden Persönlichkeiten verhöhnen, beleidigen oder schädigen" von 10–25 Jahre auf maximal fünf Jahre herabgesetzt. Paragraf 210 reduzierte die Strafe für die Teilnahme an einer öffentlichen Versammlung, "die wahrscheinlich die öffentliche Sicherheit gefährdet", von maximal 15 Jahre auf höchstens drei Jahre Gefängnis.

Paragraf 26 des neuen Gesetzes über die Bekämpfung von Gerüchten und Cyberkriminalität, das ebenfalls am 2. Januar 2022 in Kraft trat, sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren für Personen vor, die über das Internet zu einer Demonstration aufrufen, ohne zuvor eine Genehmigung von der Regierung eingeholt zu haben.

Willkürliche Inhaftierung

Die VAE waren 2022 für zahlreiche willkürliche Inhaftierungen verantwortlich. Die Behörden weigerten sich, mindestens 41 Gefangene, die ihre Strafe im Laufe des Jahres verbüßt hatten, freizulassen, womit sich die Gesamtzahl der Inhaftierten, einschließlich derjenigen aus den Vorjahren, auf 48 belief. Die 41 Betroffenen waren Teil der als "UAE 94" bekannten Gruppe von Regierungskritiker*innen, die 2012/2013 in einem Massenverfahren verurteilt worden waren. Die Regierung bezeichnete diese anhaltenden Inhaftierungen als notwendige "psychologische Betreuung" für Personen, die "extremistisches Gedankengut angenommen haben", ein Verfahren, das nach Paragraf 40 des Antiterrorgesetzes von 2014 zulässig ist. Das Gesetz schreibt vor, dass die Staatsanwaltschaft für solche Inhaftierungen einen Gerichtsbeschluss einholen muss, gibt den Inhaftierten aber nicht das Recht, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung anzufechten.

Folter und andere Misshandlungen

Im Juli 2022 äußerte der UN-Ausschuss gegen Folter während seiner ersten Überprüfung der VAE seine "Besorgnis darüber, dass die eingegangenen Berichte ein Muster von Folter und Misshandlung von Menschenrechtsverteidiger*innen und Personen, denen Straftaten gegen die Staatssicherheit vorgeworfen werden, erkennen ließen".

Die Behörden hielten den Menschenrechtsverteidiger Ahmed Mansoor das gesamte Jahr 2022 über in Einzelhaft und nahmen ihm seine Brille, seine Bücher, sein Bett, seine Matratze und seine Kissen sowie seine persönlichen Hygieneartikel weg. Eine derart lange Einzelhaft, vor allem in Verbindung mit erniedrigender und unmenschlicher Behandlung, erfüllt den Tatbestand der Folter.

Mohamed al-Siddiq, der seit 2012 inhaftiert war, weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hatte, durfte keinen Telefonkontakt zu seinen engsten Verwandten aufnehmen, die im Ausland lebten.

Diskriminierung

Die Behörden verweigerten in den VAE geborenen staatenlosen Personen, deren Vorfahren aus Ostafrika, Südasien und von der arabischen Halbinsel stammen, auch 2022 die allen Staatsangehörigen zustehende staatliche Gesundheitsversorgung und Bildung. Staatenlose Personen müssen in den VAE für die Inanspruchnahme von Bildung und Gesundheitsversorgung privat bezahlen. Staatenlose benötigten außerdem "Sponsor*innen", um wenigstens eine befristete Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, ohne die sie als "illegale Einwohner*innen" galten und nicht im besser bezahlten öffentlichen Dienst arbeiten durften.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Im September 2022 wies die Regierung die Schulen überall in den VAE an, dafür zu sorgen, "dass Lehrkräfte in den Klassenzimmern nicht über Geschlechtsidentität, Homosexualität oder andere für die Gesellschaft der VAE inakzeptable Verhaltensweisen sprechen". Einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Erwachsenen standen unter Strafe.

Klimakrise

Die VAE erhöhten 2022 ihre Ölproduktion, obwohl die Vereinten Nationen zu dem Schluss gekommen waren, dass alle Länder mit der Drosselung der Produktion beginnen müssten, um ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen zum Klimawandel zu erfüllen, dem die VAE beigetreten sind. Nach Angaben der Weltbank zählen die VAE weltweit zu den fünf Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Ausstoß an Kohlendioxid.

Rechte von Frauen und Mädchen

Im Juli 2022 stellte der Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau der Vereinten Nationen (CEDAW) in seinen abschließenden Bemerkungen fest, dass die Gesetzgebung der VAE Frauen bei der Übertragung der Staatsangehörigkeit auf ihre Kinder diskriminiert und dass die Regierung Vorbehalte gegen die Frauenrechtskonvention aufrechterhält, die mit dem Zweck dieses Übereinkommens unvereinbar sind.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Im Juli 2022 überarbeitete das Kabinett die Einwanderungsgesetze und erkannte dabei erneut das Recht von Flüchtlingen auf Asyl nicht an.

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