Blog 15. Juli 2014

Das Bekannte im Fremden: Die Partnerschaft mit Amnesty International in Ghana

Menschen sitzen bei einer Versammlung

Hitzige Debatten: Die Jahresversammlung der ghanaischen Amnesty-Sektion in Winneba.

Seit Anfang 2011 besteht ein Partnerschaftsprojekt zwischen Amnesty International in Ghana und der deutschen Amnesty-Sektion. Schwerpunkte dieser Kooperation sind die institutionelle Stärkung der ghanaischen Sektion, das Wachstum der Sektion vor allem bei der jungen Generation durch die Gründung von Menschenrechtsgruppen in Schulen und Hochschulen sowie die praktische Zusammenarbeit von Amnesty-Mitgliedern aus Ghana und Deutschland. Zusätzlich werden vor Ort Workshops und Trainings für die Bereiche Jugend und Aktivismus durchgeführt. Ende Juni/Anfang Juli reisten Sven Mesch und Wolfgang Roth als Delegierte der deutschen Amnesty-Sektion im Rahmen des Partnerschaftsprojekts wieder nach Ghana. Hier schildern sie ihre Eindrücke.

Sven Mesch aus München ist Regionalbeauftragter des Vorstands der deutschen Sektion für Afrika und ehrenamtliches Mitglied der Koordinationsgruppe Kenia/Tansania/Somalia. Außerdem ist er Mitglied des "Ghana-Teams" im Rahmen des Partnerschaftsprojekts mit der ghanaischen Amnesty-Sektion.

Mitautor: Wolfgang Roth ist ebenfalls ein ehrenamtliches Amnesty-Mitglied, und zwar in Düsseldorf. Er ist Sprecher des Regionalverbunds Westafrika und gehört ebenfalls dem "Ghana-Team" an. Er war bereits im Juni 2011 Mitglied der ersten deutschen Delegation in Ghana gewesen.

Rund hundert Delegierte aus dem ganzen Land waren Ende Juni zur Jahresversammlung (JV) von Amnesty International in Ghana nach Winneba gekommen, um die anstehenden Resolutionen zur Jugendarbeit, zum Fundraising und zu anderen Themen zu diskutieren. Außerdem galt es, einen neuen Vorstand zu wählen. Die zum Teil stürmische Gesprächskultur erinnerte uns sehr an manche deutsche JV. Über die Zulassung zur Kandidatur wurde lange diskutiert. Letztlich wurden dann - abgesehen von einer Ausnahme - nur neue Mitglieder gewählt.

Ein anderes Thema waren die Finanzen. Mitgliedschaftsbeiträge machen nur einen winzigen Teil der Einkünfte aus, am Fundraising wird gearbeitet. Schaut man sich die Zahlen des Sektionsetats an, dann ist es auch der Partnerschaft mit der deutschen Sektion zu verdanken, dass Amnesty in Ghana in den vergangenen Jahren erfolgreiche Akzente setzen konnte - vor allem beim Ausbau der "Human Rights Friendly Schools", aber auch beim Vermitteln von Wissen und Fertigkeiten für Gruppenvorsitzende und Jugendgruppen. Und dies im ganzen Lande, nicht nur in der Hauptstadt.

Am Rande der JV haben wir uns auch mit den ghanaischen "Twinning-Gruppen" getroffen. Im Rahmen des "Twinning Programms" arbeiten Gruppen aus Ghana und Deutschland zusammen und planen beispielsweise gemeinsame Aktionen. Beide Seiten sollen es auf diese Weise schaffen, einen Blick über den Zaun zu werfen – also "One Amnesty" par excellence.

Außer dem Besuch der JV haben wir gemeinsam mit den Amnesty-Mitarbeitern vor Ort auch mehrere Trainingsmaßnahmen und Workshops durchgeführt. Uns war dabei zugedacht, die Geschichte, Struktur und Arbeitsweise von Amnesty International zu erläutern, jeweils zugeschnitten auf die Zuhörerschaft

So haben wir das Jugendkoordinationsteam der ghanaischen Amnesty-Sektion getroffen und die neu entworfene Jugendstrategie besprochen. Es war beeindruckend zu sehen, wie sehr die Jugendlichen engagiert waren – die Zukunft der Sektion scheint uns bei ihnen in guten Händen zu sein. Des Weiteren haben wir neue Mitglieder und neue Gruppensprecher als Multiplikatoren geschult. In einem dritten Workshop war auch erstmals eine Gruppe Externer eingeladen, nämlich Entscheidungsträger aus Schulleitungen und Schulbehörden. Ziel war es, Amnesty International als Menschenrechtsorganisation bekannt zu machen, aber auch erste Impulse zu setzen, den Menschenrechtsgedanken in die Lehrpläne einzuführen – und so Einfluss auf die Schulpraxis auszuüben.

Isaac Nyanteh von Amnesty International in Ghana stellt das "Human Rights Friendly School Project" vor.

Ein weiterer Punkt auf unserem Wochenplan war Lobbyarbeit. So besuchten wir, begleitet vom Direktor der ghanaischen Sektion, den deutschen Botschafter sowie das Goethe-Institut und die Friedrich-Ebert-Stiftung. Es stellte sich heraus, dass Herr John, der Botschafter, erst vier Monate im Lande war, aber immerhin bereits Afrika-erfahren ist. Wir konnten ihm unsere Anliegen zur Situation in Ghana erläutern – das anstehende Referendum zur Todesstrafe, die schlechten Bedingungen in den Gefängnissen, Vertreibungen aus Slumgebieten und die Situation von Homosexuellen. Er sagte zu, zu diesen Themen bei seinen Gesprächen mit ghanaischen Funktionsträgern kritische Fragen zu stellen.



Bei den beiden anderen Terminen mit dem Goethe-Institut und der Friedrich-Ebert-Stiftung ging es mehr darum, eine mögliche Zusammenarbeit zwischen der ghanaischen Sektion und den beiden Institutionen einzuleiten bzw. aufzufrischen. Das Goethe-Institut hatte bereits in der Vergangenheit mehrfach Veranstaltungen zum Thema Todesstrafe zusammen mit der ghanaischen Sektion durchgeführt. Bei unserem Besuch wurden verschiedene Ideen diskutiert, zum Beispiel eine Filmreihe zum Thema Menschenrechte.

Fazit der Woche: Physische Erschöpfung, auch durch die krassen Unterschiede zwischen feuchtheißem Klima bei bleiernem Himmel (wir waren in der Regenzeit dort) und eiskalt klimagekühlten Tagungsräumlichkeiten. Doch vor allem ein Glücksgefühl über die überwältigende Anzahl von Eindrücken und die Einblicke in eine andere Amnesty-Welt - aber auch das Entdecken des Bekannten im Fremden.

Weitere Informationen zum Partnerschaftsprojekt mit Amnesty International in Ghana kann man hier finden: https://twitter.com/AI_GhanaGermany

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