Amnesty Report Rumänien 08. Mai 2015

Rumänien 2015

 

Ein ehemaliger hochrangiger Geheimdienstmitarbeiter bestätigte, dass Rumänien mit der CIA zusammengearbeitet habe, um ein Geheimgefängnis im Land einzurichten. Roma waren weiterhin Diskriminierung, rechtswidrigen Zwangsräumungen und anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Die Parlamentskommission zur Verfassungsreform stimmte einer Änderung zu, die den Diskriminierungsschutz sexueller Minderheiten verschlechterte.

Hintergrund

Im Januar 2014 äußerte die Europäische Kommission Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit des Justizwesens. Internationale und rumänische NGOs monierten, dass sich die Behörden nicht ernsthaft genug mit dem Überprüfungsprozess des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte beschäftigten.

Im Dezember kritisierte der UN-Ausschuss in seiner ersten Überprüfung Rumäniens seit mehr als 20 Jahren, dass die Regierung nichts unternommen habe, um zahlreiche im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verbriefte Menschenrechte wirksam zu wahren. Als Beispiele nannte das Gremium u.a. die Rechte auf angemessenes Wohnen, auf Wasser- und auf Sanitärversorgung sowie die sexuellen und reproduktiven Rechte.

Diskriminierung von Roma

Roma waren weiterhin systematischer Diskriminierung ausgesetzt. Führende Politiker äußerten sich in diskriminierender und stigmatisierender Weise über Roma. Im Februar 2014 wurde Staatspräsident Traian Băsescu zum zweiten Mal vom Nationalen Rat zur Bekämpfung von Diskriminierung mit einer Geldstrafe belegt. Er hatte während eines offiziellen Besuchs in Slowenien im November 2010 gesagt, dass "von den umherwandernden Roma nur sehr wenige arbeiten wollen und viele traditionell von Diebstahl leben".

Im Juli 2014 befand das Berufungsgericht von Cluj-Napoca, die Regierung habe Maßnahmen, die sie nach den gewaltsamen Angriffen auf Roma in Hădăreni im Jahr 1993 zugesichert habe, nicht umgesetzt. Geplant waren kommunale Entwicklungsprojekte mit dem Ziel, die Lebensbedingungen und die Beziehungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Außer in Hădăreni gab es Anfang der 1990er Jahre in ganz Rumänien etwa 30 Angriffe gewalttätiger Gruppen auf Roma-Gemeinschaften.

Im September 2013 bestätigte der Oberste Kassations- und Strafgerichtshof die Entscheidung des Nationalen Rats zur Bekämpfung von Diskriminierung aus dem Jahr 2011, wonach die in der Stadt Baia Mare errichtete Betonmauer, die von Roma bewohnte Häuserblocks vom Rest des Wohngebiets abtrennt, den Tatbestand der Diskriminierung erfüllt.

Recht auf Wohnen

In seinen Schlussbemerkungen forderte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte die Regierung im Dezember 2014 auf, dafür zu sorgen, dass benachteiligte und marginalisierte Bevölkerungsgruppen – einschließlich der Roma – angemessenen Wohnraum erhalten, und rechtswidrige Zwangsräumungen gesetzlich zu verbieten.

Kommunale Behörden fuhren jedoch Zwangsräumungen von Roma-Gemeinden fort. Einige der Betroffenen wurden in unzureichende und abgelegene Gebiete umgesiedelt, während andere obdachlos wurden.

Roma-Familien, die mehr als 40 Jahre in einer informellen Siedlung in Eforie Sud im Kreis Constanţa gelebt hatten, wurden mehrfach Opfer rechtswidriger Zwangsräumungen. Im September 2013 wurden 101 Personen, darunter 55 Minderjährige, bei extrem schlechtem Wetter obdachlos, nachdem die Stadtverwaltung ihre Häuser abgerissen hatte. Einigen Familien wurde angeboten, sie könnten vorübergehend in zwei verlassenen Schulgebäuden unterkommen, die jedoch sehr schlechte Lebensbedingungen boten.

Im Juli 2014 wurden sieben der zehn Familien, die in einem der ehemaligen Schulgebäude untergebracht worden waren, in abgeschiedene und unangemessene Wohncontainer in den Außenbezirken von Eforie Sud umgesiedelt, während die anderen drei Familien obdachlos wurden. Keine der Familien erhielt eine Entschädigung für die Verletzungen ihrer Rechte und den Verlust oder die Beschädigung ihres Eigentums.

Ende 2014 hatten Roma-Familien, die im August 2013 aus der informellen Siedlung Craica in Baia Mare vertrieben worden waren, noch immer keine adäquaten Ersatzunterkünfte erhalten. Die rechtswidrige Zwangsräumung stand im Zusammenhang mit einem Wasserversorgungs-und Abwasserprojekt, das vom rumänischen Umweltministerium, der EU und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung finanziert wird. Die Familien lebten weiterhin in improvisierten Unterkünften, die sie selbst errichtet hatten, nachdem ihre Häuser 2013 abgerissen worden waren.

Im Dezember 2013 urteilte das Kreisgericht in Cluj-Napoca, die Entscheidung des Bürgermeisters, etwa 300 Roma im Dezember 2010 aus dem Stadtzentrum zu vertreiben und auf einem Grundstück in der Nähe der städtischen Mülldeponie wieder anzusiedeln, habe gegen das Gesetz verstoßen. Das Gericht wies die Stadtverwaltung an, Antragstellern Schadensersatz zu leisten und ihnen angemessene Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.

Nachdem die Stadtverwaltung gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt hatte, verwies das Berufungsgericht in Cluj den Fall im Oktober 2014 an das Bezirksgericht Cluj. Zur Begründung hieß es, es handele sich um eine privatrechtliche und nicht um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit, da die Stadtverwaltung eher als Grundstückseigentümerin denn als öffentliches Amt gehandelt habe. Ende 2014 war der Fall noch anhängig.

Antiterror- und Sicherheitsmaßnahmen

Im Dezember 2014 bestätigte ein ehemaliger Geheimdienstchef die Zusammenarbeit Rumäniens mit der CIA bei der Einrichtung eines Geheimgefängnisses im Land im Jahr 2002. Er räumte dies ein, nachdem der US-Senat einen Bericht veröffentlicht hatte, der Einzelheiten über das CIA-Programm für Geheimgefängnisse und die Folter von Gefangenen enthielt. Laut dem Bericht soll es sich beim Haftzentrum "Schwarz" um ein Geheimgefängnis in Rumänien gehandelt haben.

2012 hatte Abd al-Rahim al-Nashiri, der gegenwärtig in Guantánamo Bay inhaftiert ist, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Beschwerde gegen Rumänien eingelegt. Der saudi-arabische Staatsbürger hatte darin den Vorwurf erhoben, er sei zwischen 2004 und 2006 in der Hauptstadt Bukarest in geheimer Haft gehalten worden.

Folter und andere Misshandlungen

Im Juli 2014 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, Rumänien habe das Recht auf Leben von Valentin Câmpeanu verletzt. Der psychisch kranke und HIV-positive Rom war im Jahr 2004 im psychiatrischen Krankenhaus von Poiana Mare aufgrund unangemessener Pflege- und Lebensbedingungen gestorben.

Der Menschenrechtskommissar des Europarats kritisierte im Juli die rumänischen Einrichtungen für Erwachsene und Kinder mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Er tadelte die mangelhaften Lebensbedingungen in den Heimen sowie die anhaltenden Berichte über Misshandlungen. Dabei habe die Regierung bereits vor langem versprochen, die Zahl der Unterbringungen von Menschen mit Behinderungen in solchen Einrichtungen zu reduzieren.

Der Menschenrechtskommissar brachte auch seine Besorgnis über die exzessive Gewalt zum Ausdruck, mit der die Polizei Berichten zufolge bei Hausdurchsuchungen in Reghin im Kreis Mureş im Jahr 2013 gegen Roma vorgegangen war. Er empfahl, ein unabhängiges Beschwerdeorgan für Übergriffe durch Ordnungskräfte einzurichten.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Nach Angaben mehrerer internationaler und nationaler NGOs waren Frauen, die einen legalen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollten, nach wie vor mit zahlreichen Hürden konfrontiert. Dazu zählten verpflichtende und voreingenommene Beratungen, die Abweisung durch Ärzte, die einen Abbruch aus Gewissensgründen ablehnten, sowie mangelnde Informationen über Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornahmen.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen

Im Juni 2013 beschloss die Parlamentskommission zur Verfassungsreform, das Diskriminierungsverbot wegen sexueller Orientierung aus den Antidiskriminierungsbestimmungen der Verfassung zu entfernen. Außerdem stimmte die Kommission zunächst einem Änderungsvorschlag zu, der Familie als einvernehmliche Eheschließung zwischen "einem Mann und einer Frau" und nicht – wie in der aktuell geltenden Verfassung – zwischen "Ehepartnern" definierte. In einer zweiten Abstimmungsrunde wurde dieser Reformvorschlag jedoch abgelehnt.

Weitere Artikel