Amnesty Report 08. Mai 2015

Simbabwe 2015

 

Die Exekutive wendete noch immer die alten, verfassungswidrigen Gesetze an, so dass u.a. die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt blieben. Auch die wirtschaftlichen und sozialen Rechte wurden weiterhin verletzt, z.B. durch rechtswidrige Zwangsräumungen in ländlichen und städtischen Gebieten.

Infolge des schlechten Wirtschaftsklimas kam es zur Schließung zahlreicher Unternehmen und zu Massenentlassungen. Sowohl in der regierenden Zimbabwe African National Union-Patriotic Front (ZANU-PF) als auch innerhalb der größten Oppositionspartei gab es gewalttätige Auseinandersetzungen. Es gab Berichte über Folter durch die Polizei.

Hintergrund

Zwar wurde 2013 eine neue Verfassung verabschiedet, doch blieben die meisten Gesetze, die dadurch verfassungswidrig wurden, weiterhin in Kraft. Die Dynamik, die die Wirtschaft des Landes während der Regierung der nationalen Einheit (Februar 2009 bis August 2013) entwickelt hatte, nahm immer mehr ab. Das Postengerangel innerhalb der regierenden ZANU-PF von Präsident Robert Mugabe spitzte sich im Vorfeld des sechsten Parteitags im Dezember 2014 weiter zu.

Wegen der innerparteilichen Spannungen, die vor allem durch die Ungewissheit über die Nachfolge des 90-jährigen Präsidenten ausgelöst wurden, kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen bei Demonstrationen, die von verschiedenen Parteiflügeln finanziert wurden. Im Zuge einer von Grace Mugabe, der Ehefrau des Präsidenten, betriebenen großen Säuberungsaktion verloren neun einflussreiche Parteivertreter auf Provinzebene ihre Posten, darunter auch die Parteikader Joice Mujuru (zugleich Vizepräsidentin), Rugare Gumbo, Nicholas Goche, Webster Shamu und Olivia Muchena. Diese Maßnahme löste große Unsicherheit aus, und das Kabinett spaltete sich in zwei Lager.

Unterdrückung Andersdenkender

Bei Kundgebungen gegen Präsident Mugabe ging die Polizei nach wie vor mit brutaler Gewalt vor und wendete gegen Protestierende und Menschenrechtsverteidiger auch Folter an. Sowohl in der regierenden ZANU-PF als auch in der größten Oppositionspartei, der Bewegung für den Demokratischen Wandel (Movement for Democratic Change – MDC-T) von Morgan Tsvangirai, kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Vor allem im Rahmen parteiinterner Konkurrenzkämpfe innerhalb der ZANU-PF kam es weiter zum Missbrauch staatlicher Institutionen gegen politische Gegner. Mutmaßliche Oppositionelle ließ man von der Polizei festnehmen und auf der Grundlage offensichtlich politisch motivierter Vorwürfe strafrechtlich verfolgen.

So wurde am 27. November 2014 der ehemalige Vorsitzende des Verbands der Kriegsveteranen Jabulani Sibanda festgenommen, weil er sich weigerte, die von Grace Mugabe in den Provinzen organisierten Kundgebungen zu besuchen, bei denen andere Parteiführer denunziert wurden.

Er wurde nach Paragraph 33 des Strafgesetzbuchs (Criminal Law [Codification and Reform] Act) wegen "Untergrabung der Autorität des Präsidenten" unter Anklage gestellt, kam dann aber gegen Kaution frei. Berichten zufolge hatte Jabulani Sibanda Präsident Mugabe wegen der Ernennung seiner Frau zur Vorsitzenden der Frauenliga der ZANU-PF einen "Putschversuch im Sitzungssaal und im Schlafzimmer" vorgeworfen.

Der abgesetzte ZANU-PF-Parteisprecher Rugare Gumbo wurde im Zusammenhang mit den laufenden parteiinternen Querelen von der Polizei verhört und offenbar zu seinen Kontakten mit einem politischen Blogger befragt, der auf Facebook unter dem Namen Baba Jukwa auftrat. Edmund Kudzayi, Chefredakteur der staatlich kontrollierten Zeitung Sunday Mail, wurde unter dem – von ihm bestrittenen – Vorwurf der Volksverhetzung in Haft genommen.

Man brachte ihn mit Baba Jukwa in Verbindung, der mehr als 400000 Follower hatte und vor den Wahlen im Juli 2013 an einer Bloßstellungskampagne gegen Funktionäre der ZANU-PF beteiligt gewesen war. Das Verfahren gegen Kudzayi lief Ende 2014 noch.

Am 6. November 2014 wurde in Harare der Journalist und Aktivist der Demokratiebewegung, Itai Dzamara, bei einem brutalen Übergriff der Bereitschaftspolizei bewusstlos geschlagen. Bei der Einlieferung ins Krankenhaus kollabierte er und wurde nach Wiederbelebungsmaßnahmen auf die Intensivstation verlegt. Im Oktober hatte er als Anführer der Protestgruppe Occupy Africa Unity Square (OAUS) Präsident Mugabe eine Petition vorgelegt, in der dieser zum Rücktritt aufgefordert wurde. Die Gruppe veranstaltete einen Sitzstreik im Africa Unity Square in Harare, einem Park in der Nähe des Parlamentsgebäudes.

Kennedy Masiye von der Menschenrechtsorganisation Zimbabwe Lawyers for Human Rights, der dem Aufruf der Protestierenden gefolgt war, wurde von Bereitschaftspolizisten ebenfalls geschlagen, obwohl er sich als Anwalt von Itai Dzamara auswies. Die Polizisten warfen seine Anwaltslizenz fort und verprügelten ihn; er erlitt einen Armbruch und musste im Krankenhaus behandelt werden.

Am 26. November wurden die OAUS-Mitglieder Tichaona Danho, Charles Nyoni, Terry Manzini und Shungu Mutize, die die Übergabe einer Petition an den Parlamentssprecher mit einem friedlichen Protest verbunden hatten, in Haft genommen. Sie wurden mit heftigen Schlägen misshandelt und nach sechs Stunden ohne Anklage wieder auf freien Fuß gesetzt. Auf der Polizeiwache mussten die Männer ihre Kleidung ablegen. Drei Beamte schlugen auf sie ein und befahlen ihnen dann, sich gegenseitig zu schlagen.

Sie wollten von ihnen wissen, welches Ziel ihre Gruppe verfolge, und verlangten von ihnen, nicht mehr gegen Präsident Mugabe zu protestieren. Menschenrechtsanwälte, die die OAUS-Mitglieder vertreten wollten, wurden mit der Auskunft abgewiesen, die Männer seien gar nicht inhaftiert. Später befahl man den vier OAUS-Mitgliedern, ihre Kleider wieder anzuziehen, nach Hause zu gehen und niemandem von ihrer Inhaftierung zu erzählen.

Job Sikhala, prominentes MDC-T-Mitglied und ehemaliger Parlamentsabgeordneter, wurde am 27. November festgenommen, am nächsten Tag wieder freigelassen und aufgefordert, sich am 29. November erneut bei der Polizei zu melden. Diesmal sprach er zusammen mit seinen Rechtsbeiständen vor, doch diese durften ihn nicht zum Verhör begleiten. Sikhala gab an, man habe ihn während des Verhörs gefoltert; er wurde kurz nach seiner Freilassung im Krankenhaus behandelt.

Paragraph 121 des Strafverfahrens- und Beweismittelgesetzes (Criminal Procedure and Evidence Act – CPEA) wurde weiterhin zur Verlängerung von Haftzeiten missbraucht. Er ermöglicht es den Behörden, ein Veto gegen die gerichtlich angeordnete Freilassung auf Kaution einer inhaftierten Person einzulegen und deren Haft um weitere sieben Tage zu verlängern.

Am 22. August 2014 verhinderte die Staatsanwaltschaft so die Freilassung von sechs MDC-T-Mitgliedern und der Parlamentsabgeordneten Ronia Bunjira. Sie waren bei einer Protestdemonstration gegen die Nichterfüllung des Wahlversprechens der ZANU-PF, 2 Mio. Arbeitsplätze zu schaffen, festgenommen worden.

Den Oppositionsmitgliedern wurde ein Verstoß gegen das CPEA vorgeworfen, weil sie den Verkehr behindert und damit die Bewegungsfreiheit der Bürger eingeschränkt hätten. Die Journalistin Angela Jimu, die über den Protestmarsch berichten wollte, wurde von der Polizei geschlagen und in Gewahrsam genommen; ihre Kamera wurde beschlagnahmt. Paragraph 121 wurde schon mehrmals vor dem Verfassungsgericht angefochten, weil er insbesondere bei inhaftierten Gegnern der Regierungspartei und bei Menschenrechtsverteidigern zur willkürlichen Verweigerung des Rechts auf Freilassung gegen Kaution geführt hatte.

Im April 2014 wurden in Tsholotsho 16 Mitglieder der oppositionellen Partei Transform Zimbabwe wegen Verbreitung politischer Materialien etwa fünf Stunden lang festgehalten, dann aber ohne Anklage wieder freigelassen. Gegen den Parteivorsitzenden Jacob Ngarivhume waren nach wie vor Anklagen nach Paragraph 24(6) des drakonischen Gesetzes über Öffentliche Ordnung und Sicherheit (Public Order and Security Act – POSA) anhängig. Die Polizei warf ihm vor, bei einer nicht genehmigten politischen Versammlung eine Rede gehalten zu haben, als er im Juni in einer Kirche eine Ansprache gehalten hatte.

Am 14. Juli wurden in Gweru 13 Mitglieder von Transform Zimbabwe nach einer friedlichen Protestkundgebung festgenommen; der Protest richtete sich gegen die zwei Tage zuvor erfolgte Festnahme von Jacob Ngarivhume, weil er ein Treffen des Parteivorstands einberufen hatte. Die 13 in Gweru festgenommenen Parteimitglieder wurden nach Paragraph 37(1)(a)(i) des Strafgesetzbuchs wegen Teilnahme an einer Demonstration angeklagt, bei der sie angeblich die Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit beabsichtigt bzw. aktiv betrieben hatten.

Nach Ansicht der Behörden hätten die Veranstalter die Kundgebung zum öffentlichen Aufruhr missbrauchen wollen. Da die Staatsanwaltschaft keine ausreichenden Beweise vorlegen konnte, wurden die Angeklagten jedoch freigesprochen.

Am 22. Juli verbot die Polizei mit Hilfe des POSA mehrere Protestmärsche in Bulawayo, Gweru, Harare und Mutare, wo die Beschäftigten der staatlichen Eisenbahngesellschaft als Mitglieder der Gewerkschaft Zimbabwe Railway Artisans' Union die Auszahlung ihrer ausstehenden Gehälter fordern wollten. Am 6. August befand jedoch das Hohe Gericht, dass die Polizei nicht die Befugnis habe, Gewerkschaftsdemonstrationen zu verbieten.

Am 21. August sprach das Amtsgericht von Victoria Falls vier Vertreter der zivilgesellschaftlichen Organisation Bulawayo Agenda von Anklagen frei, die unter dem POSA gegen sie erhoben worden waren. Mmeli Dube, Butholezwe Kgosi Nyathi, Nthombiyezansi Mabunda Tozana und Thulani Moyo waren im Juni festgenommen und wegen Verstoßes gegen Paragraph 25(1)(b) des POSA angeklagt worden, weil sie es versäumt haben sollen, die Aufsichtsbehörde von einer öffentlichen Veranstaltung in Kenntnis zu setzen. Das Gericht befand, dass die Staatsanwaltschaft keine ausreichenden Beweise gegen die Angeklagten vorgelegt habe.

Entführungen

Im November 2014 wurden zum ersten Mal seit 2009 wieder Entführungen gemeldet.

Am 12. November wurde im Township Mbare der ehemalige ZANU-PF-Vorsitzende für die Provinz Harare, Jim Kunaka, von Unbekannten entführt. Berichten zufolge zerrten ihn seine Entführer in einen Wagen, verbanden ihm die Augen und fuhren mit ihm in ein mit Büschen bewachsenes Gelände. Sie fielen mit Eisenstangen über ihn her und ließen ihn dann vor Ort liegen. Die Entführung von Jim Kunaka, die zur Zeit des heftigsten Postengerangels innerhalb der ZANU-PF stattfand, wurde auf der zentralen Polizeiwache von Harare zur Anzeige gebracht.

Am 2. Dezember wurden die Anhänger der Demokratiebewegung Allan Chinewaita, Jerry Mugweni und Itai Dzamara, die sich an einer gewaltfreien Protestkundgebung in Harare beteiligten, von Unbekannten mit drei Privatwagen entführt. Berichten zufolge wurden sie zur Parteizentrale der ZANU-PF gebracht und von Mitgliedern der Parteijugend beraubt, geschlagen und bespuckt.

Dann wurden sie zur zentralen Polizeiwache von Harare gebracht und den Beamten übergeben, die sie folterten, ehe sie sie ohne Anklageerhebung wieder freiließen. Wegen ihrer schweren Verletzungen brachte man die Männer ins Krankenhaus.

Recht auf Wohnen – Zwangsräumungen

Ungeachtet der Bestimmungen in Artikel 74 der Verfassung zum Schutz vor willkürlicher Zwangsräumung ließen Regierung und örtliche Behörden Räumungen ohne Gerichtsbeschluss durchführen.

Am 25. September 2014 erhielten in Harare 324 "illegale Bewohner" Räumungsbefehle von der Stadtverwaltung, die innerhalb einer völlig unzureichenden Frist von 48 Stunden vollzogen wurden. Im September ließ die Stadtverwaltung informelle Verkaufsstände im Stadtzentrum ohne Gerichtsbeschluss abreißen und gefährdete damit den Lebensunterhalt vieler Familien, die angesichts der schrumpfenden Wirtschaft und einer offiziellen Arbeitslosenquote von über 80% auf den informellen Sektor angewiesen sind.

Im August 2014 schlossen die Behörden gegen den Willen der Bewohner das Übergangslager Chingwizi, das nach den Überschwemmungen Anfang 2014 im Bezirk Chivi für etwa 20000 Flutopfer eingerichtet worden war. Grund für die Überschwemmungen war der Bau des Tokwe-Mukosi-Damms gewesen.

Zu der kritischen Situation im Lager war es gekommen, weil die Regierung nicht für die Umsiedlung der Flutopfer gesorgt hatte, die jetzt unter erbärmlichen Bedingungen und ohne Grundversorgung, z.B. sauberes Wasser, leben mussten. Die Regierung untersagte NGOs den Zugang zu dem Übergangslager und verhinderte so ausreichende humanitäre Hilfe für die Bewohner.

Die Schließung des Lagers erfolgte parallel zu Protesten gegen die geplante Schließung der Lagerambulanz, bei denen es zu Ausschreitungen kam. Die Behörden reagierten mit brutaler Gewalt gegen die Bewohner, schlugen auf sie ein und nahmen etwa 300 von ihnen in Gewahrsam, insbesondere Männer und Gemeindesprecher. Damit sollte die Zwangsumsiedlung von Frauen und Kindern auf ihnen zugewiesene, einen Hektar große Parzellen erleichtert werden, von denen sie ihren Lebensunterhalt nicht angemessen bestreiten konnten.

Gegen 30 Personen wurde nach Paragraph 36 des Strafgesetzbuchs Anklage wegen öffentlicher Gewalt erhoben. 26 von ihnen wurden am 8. August gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt.

Eine weitere Lagerbewohnerin, Sophia Tagwireyi, wurde im September gegen Kaution freigelassen, während zwei weitere Personen erst drei Monate in Haft verbringen mussten, ehe sie gegen Kaution freikamen. Patrick Chineunda Changwesha saß Ende 2014 noch immer in Haft. Die Inhaftierten berichteten von Folter im Gewahrsam der Polizei. Im Dezember wurden 26 Bewohner freigesprochen.

Im September 2014 ließen die Gemeindeverwaltung von Epworth und die Stadtverwaltung von Chitungwiza mit Unterstützung der Polizei ohne Gerichtsbeschluss die Häuser Hunderter Familien abreißen. Die Zwangsräumung erfolgte bei Nacht, ohne dass den Bewohnern Zeit gelassen wurde, ihre Habe mitzunehmen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Mindestens 30 Personen wurden festgenommen und ohne Anklage wieder freigelassen, zwölf trugen Verletzungen davon. Die Zwangsräumungen in Epworth wurden auf Anordnung des Hohen Gerichts gestoppt.

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