Amnesty Report 26. Mai 2016

Angola 2016

 

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versamm-lung und Vereinigungsfreiheit waren 2015 stark eingeschränkt. Mindestens 16 gewaltlose politische Gefangene befanden sich in Haft, 15 von ihnen wurden am 18. Dezember 2015 in den Hausarrest überstellt. Die Behörden griffen auf Gesetze über Verleumdung und die staatliche Sicherheit zurück, um Einzel-personen, die ihre Meinung äußerten, zu schikanieren, willkür-lich festzunehmen und zu inhaftieren und um die Pressefreiheit einzuschränken. Die Regierung erließ ein neues Gesetz, mit dem die Tätigkeit von NGOs eingeschränkt wurde.

Hintergrund

Der weltweite Verfall der Ölpreise im Jahr 2015 hatte negative Auswirkungen auf die Wirtschaft Angolas.

Sicherheitskräfte gingen mit exzessiver Gewalt gegen Menschen vor, die die Regierung kritisierten, Korruptionsfälle aufdeckten oder Menschenrechtsverletzungen verurteilten. Immer mehr Menschenrechtsverteidiger und Kritiker der Regierung wurden festgenommen und von Justizbehörden, die zunehmend unter dem Einfluss der Politik standen, strafrechtlich verfolgt. Dadurch gab es immer weniger Spielraum, um die Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit wahrzunehmen.

Der UN-Menschenrechtsrat hatte im Oktober 2014 die Menschen-rechtslage in Angola im Rahmen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung begutachtet. Von den 226 Empfehlungen des Gremiums akzeptierte Angola 192, außerdem erklärte sich die Regierung bereit, über die übrigen 34 Empfehlungen weiter zu beraten. Gegenstand der Empfehlungen waren u. a. die Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Im März 2015 lehnte Angola diese Empfehlungen jedoch ab, einschließlich der Empfehlung, darauf zu verzichten, Verleumdungsgesetze zur Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung heranzuziehen.

Gewaltlose politische Gefangene

Nach wie vor nahmen die Behörden Regierungskritiker, Menschenrechtsverteidiger, politisch engagierte Menschen und Journalisten in Haft. Ende 2015 befanden sich mindestens 16 gewaltlose politische Gefangene unter Freiheitsentzug; 15 davon standen unter Hausarrest.

Der Menschenrechtsverteidiger José Marcos Mavungo wurde am 14. September 2015 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die gegen ihn erhobene Anklage der "Rebellion" gilt als Straftat gegen die Staatssicherheit. Er war Mitorganisator einer friedlichen Demonstration, die am 14. März 2015, dem Tag seiner Festnahme, stattfand. Ihm wurde vorgeworfen, in Verbindung zu einer Gruppe von Männern zu stehen, bei denen man am Tag vor der Demonstration Sprengstoff und Flugblätter gefunden hatte. Es konnten jedoch weder Beweise für eine Verbindung von José Marcos Mavungo zu den Männern oder seine Beteiligung an der Erstellung der Flugblätter beigebracht werden, noch wurden die anderen Männer vor Gericht gestellt.

Im Zeitraum vom 20. bis 24. Juni 2015 nahmen Sicherheitskräfte in der angolanischen Hauptstadt Luanda 15 junge Aktivisten fest und inhaftierten sie, nachdem sie an einem friedlichen Treffen teilgenommen hatten, auf dem politische Themen sowie Probleme der Regierungsführung unter Präsident José Eduardo dos Santos diskutiert wurden. Am 16. September erhielten sie Anklagen wegen "Vorbereitung eines Aufstands" sowie "Verschwörung gegen den Präsidenten". Zwei Aktivistinnen wurden der gleichen Straftaten angeklagt, blieben jedoch auf freiem Fuß. Die Rechtsbeistände der 15 Aktivisten wurden erst am 30. September offiziell über die Anklage informiert, als die gesetzlich erlaubte maximale Dauer der Untersuchungshaft von 90 Tagen bereits überschritten war. Die Anklagepunkte werden als Straftaten gegen die Staatssicherheit angesehen und können mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Gegen drei Aktivisten wurden weitere Anklagen vorgebracht: Manuel Nito Alves soll seinen Namen illegal geändert haben (Höchststrafe ein Monat Gefängnis); der Rapper Luaty Beirão soll Dokumente gefälscht haben (Höchststrafe acht Jahre Haft); Osvaldo Caholo wurde Diebstahl von Dokumenten zur Last gelegt (Höchststrafe acht Jahre Gefängnis).

Aus Protest gegen ihre rechtswidrige Inhaftierung traten vier der 15 Aktivisten am 20. September 2015 für mehrere Tage in einen Hungerstreik. Luaty Beirão, der sich am 9. Oktober noch im Hungerstreik befand, wurde in das Gefängniskrankenhaus von São Paulo gebracht. Dort akzeptierte er am 11. Oktober eine Infusion mit einer Salzlösung, feste Nahrung lehnte er jedoch weiterhin ab. Am 15. Oktober 2015 wurde er in ein privates Kran-kenhaus in Luanda verlegt. Nach 36 Tagen beendete er seinen Hungerstreik.

Der Prozess gegen die Aktivisten begann am 16. November 2015. Er verstieß gegen zahlreiche internationale Standards für faire Gerichtsverfahren, darunter das Recht auf ein öffentliches Verfahren und auf ein Verfahren ohne schuldhafte Verzögerung. Am 18. Dezember 2015 wurden die 15 Aktivisten in den Hausarrest überstellt. Der nächste Gerichtstermin war für den 11. Januar 2016 anberaumt.

Versammlungsfreiheit

Demonstrationen wurden von den Behörden immer wieder verboten, obwohl sie laut Gesetz nicht genehmigt werden müssen. Wenn Demonstrationen stattfanden, nahmen Polizeikräfte friedliche Demonstrierende häufig willkürlich fest und inhaftierten sie. In einer Reihe von Fällen nahmen Polizeiangehörige Demonstrierende in Gewahrsam, misshandelten sie mit Schlägen und setzten sie Hunderte Kilometer vom Ort der Festnahme entfernt aus.

Bei einer friedlichen Demonstration am 29. Juli 2015, bei der die Freilassung der 15 im Juni festgenommenen Aktivisten gefordert wurde, schlugen Polizisten auf die Demonstrierenden ein und nahmen einige von ihnen fest.

Am 8. August 2015 attackierte die Polizei Demonstrierende, die friedlich die Freilassung der 15 Aktivisten forderten, mit Schlagstöcken und hetzte Hunde auf sie. Einige Menschen wurden zunächst in Gewahrsam genommen, nach kurzer Zeit jedoch ohne Anklageerhebung wieder freigelassen. Unter den Demonstrierenden waren auch die Mütter und Ehefrauen einiger inhaftierter Aktivisten.

Am 11. Oktober 2015 hielten Unterstützer der 15 Aktivisten in der Kirche Sagrada Família in Luanda eine Mahnwache ab. Nach Angaben der Teilnehmenden tauchte die Polizei mit Gewehren, Wasserwerfern und Hunden in der Kirche auf. Um einen Konflikt mit der Polizei zu vermeiden, wurde die Versammlung abgebrochen. Am Tag darauf wurde eine weitere Mahnwache abgehalten. Die Polizei nahm einige Personen in Gewahrsam, ließ sie aber nach kurzer Zeit ohne Anklageerhebung frei.

Arão Bula Tempo, Rechtsanwalt und Vorsitzender der Anwaltskammer der Provinz Cabinda, wurde am 14. März 2015 in Cabinda festgenommen und unter Auflagen am 13. Mai wieder auf freien Fuß gesetzt. Am 22. Oktober wurde gegen ihn wegen "Zusammenarbeit mit ausländischen Staatsangehörigen gegen die Interessen des angolanischen Staates" und wegen "Rebellion" Anklage erhoben. Die Höchststrafe für diese Tatbestände beträgt fünf bzw. zwölf Jahre. Die beiden Ankla-gepunkte wurden als staatssicherheitsgefährdende Straftaten betrachtet und stützten sich auf den Vorwurf, dass Arão Bula Tempo Journalisten aus der Republik Kongo eingeladen hatte, damit diese über eine von José Marcos Mavungo organisierte Demonstration berichteten (siehe oben). Der Gesundheitszustand von Arão Bula Tempo verschlechterte sich gegen Ende 2015 zusehends. Er wollte sich deshalb außerhalb der Provinz Cabinda in ärztliche Behandlung begeben, durfte Cabinda jedoch nicht verlassen. Diese Einschränkungen verletzten sein Recht auf Freizügigkeit und sein Recht auf den höchstmöglichen Ge-sundheitsstandard. Bis Ende des Jahres war noch kein Termin für sein Gerichtsverfahren festgesetzt worden.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Nach wie vor griffen die Behörden auf Gesetze über Verleumdung und die staatliche Sicherheit zurück, um Meinungsäußerungen zu unterdrücken, vor allem wenn sie Kritik an der Regierung enthielten.

Der Journalist Rafael Marques de Morais, dessen zentrale Themen Korruption und Menschenrechte sind, wurde im Mai 2015 der Verleumdung für schuldig befunden. Der Schuldspruch stützte sich auf den Vorwurf, er habe sich durch die Veröffentlichung seines 2011 erschienenen Buches mit dem Titel Blutdiamanten: Korruption und Folter in Angola strafbar gemacht. Rafael Marques de Morais erhob in dem Buch gegen mehrere Generäle und zwei Bergbaufirmen den Vorwurf, an den Menschenrechtsverstößen in den Diamantenfeldern der Provinzen Lunda Norte und Lunda Sul beteiligt gewesen zu sein. Ein Gericht verurteilte den Journalisten zu sechs Monaten Haft, die zu zwei Jahren auf Bewährung ausgesetzt wurden. Seine Anwälte legten im Juni Rechtsmittel vor dem Obersten Gerichtshof ein, zu einer Verhandlung darüber kam es jedoch bis Ende 2015 nicht. Durchschnittlich vergehen in Angola zwei Jahre, bevor Rechtsmittelverfahren stattfinden.

Vereinigungsfreiheit

Mit dem Präsidentenerlass 74/15 setzte die Regierung am 23. März 2015 ein neues Gesetz über die Registrierung von NGOs in Kraft. Das Gesetz enthält strenge Regelungen für die Registrierung und Finanzberichterstattung von Organisationen. Die Vorschriften des neuen Gesetzes könnten NGOs und andere zivilgesellschaftliche Organisation der Möglichkeit berauben, sich zu organisieren und tätig zu sein. Die Strafverfolgungsbehörde hat nach der neuen Regelung das Recht, die Einstellung der Arbeit von angolanischen und internationalen NGOs anzuordnen, wenn der Verdacht auf Geldwäsche oder auf illegale oder schädliche Aktivitäten besteht, die eine Gefahr für Angolas Souveränität und Integrität darstellen. Außerdem schränkt Artikel 15 des Erlasses die Möglichkeit der NGOs ein, finanzielle Mittel zu erhalten, diese zu verwenden und ihre Aktivitäten so durchzuführen, wie es ihnen für das Erreichen ihrer Ziele am besten erscheint. Die Möglichkeit, finanzielle Mittel einzuwerben, zu erhalten und zu verwenden, stellt eine entscheidende Komponente des Rechts auf Vereinigungsfreiheit dar.

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