Amnesty Report Australien 26. Mai 2016

Australien 2016

 

Angehörige indigener Völker waren in australischen Gefängnissen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überrepräsentiert. Minderjährige wurden zum Teil zusammen mit Erwachsenen inhaftiert. Australien verfolgte auch weiterhin einen harten Kurs gegenüber Asylsuchenden. Dazu gehörte das Abweisen von Booten, die Zurückweisung von Asylsuchenden in ihre Herkunftsländer trotz drohender Folter oder anderer schwerer Menschenrechtsverletzungen (Refoulement), die obligatorische unbefristete Inhaftierung von Personen, die über kein gültiges Visum verfügten, sowie ihre Unterbringung in Einrichtungen vor der australischen Küste auf Nauru und in Papua-Neuguinea. Personen, denen der Flüchtlingsstatus auf Nauru zuerkannt wurde, verweigerte man das Recht auf Niederlassung in Australien und bot ihnen stattdessen befristete Visa oder Aufenthaltsgenehmigungen für Kambodscha an. Da in Papua-Neuguinea die Einführung befristeter Visa für anerkannte Flüchtlinge noch nicht abgeschlossen war, befanden sich zahlreiche Personen in einem rechtlichen Schwebezustand und konnten die Insel Manus nicht verlassen. Mitarbeiter und Auftragnehmer, die Menschenrechtsverletzungen in Hafteinrichtungen für Flüchtlinge und Asylsuchende anprangerten, drohte nach neuer Gesetzgebung die strafrechtliche Verfolgung. Die neuen "Sicherheitsgesetze" zogen eine Ausweitung der Be-fugnisse zum Abfangen von Daten nach sich. Zudem wurde ein Gesetz erlassen, welches vorsieht, dass Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft im Zusammenhang mit terrorismusbezogenen Aktivitäten die australische Staatsbürgerschaft aberkannt wird.

Rechte indigener Bevölkerungsgruppen

Minderjährige Angehörige indigener Völker wurden 24-mal häufiger inhaftiert als Minderjährige anderer Bevölkerungsgruppen. Da die Strafmündigkeit in Australien bei zehn Jahren liegt, ist es in allen Bundesstaaten und Territorien gesetzlich erlaubt, Kinder im Alter von zehn und elf Jahren zu inhaftieren. Dies verstößt gegen das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes. In Queensland wurden Minderjährige zusammen mit Erwachsenen inhaftiert. In mindestens einer Haftanstalt im Northern Territory gab es keine ausreichende Trennung zwischen inhaftierten Kindern und erwachsenen Häftlingen.

Die Regierung von Western Australia führte Mindeststrafen für schweren Wohnungseinbruchdiebstahl für Erwachsene und für Minderjährige im Alter von 16 und 17 Jahren ein. Zudem wurden die Anwendungsregeln für Mindeststrafen bei mehrfachem Wohnungseinbruchdiebstahl verschärft.

Indigene Erwachsene wurden 14-mal häufiger inhaftiert als Erwachsene anderer Bevölkerungsgruppen. Es kam auch weiterhin zu Todesfällen in Gewahrsam. Im Mai 2015 starb ein Aborigine auf einer Polizeiwache an Herzversagen, nachdem er drei Stunden zuvor festgenommen worden war, weil er angeblich unerlaubterweise in der Öffentlichkeit Alkohol getrunken hatte. Der Untersuchungsrichter kritisierte die in diesem Fall angewandten gesetzlichen Richtlinien, die es ermöglichen, Personen ohne Anklage festzuhalten, als "eindeutig ungerecht", da sie überwiegend gegen die indigene Bevölkerung eingesetzt würden. Im September, November und Dezember 2015 kam in zwei Gefängnissen in Western Australia je ein Häftling ums Leben. Diese drei Fälle gehörten zu einer Reihe von Todesfällen in Gewahrsam, die noch nicht vom Untersuchungsrichter des Bundesstaates überprüft wurden. Im Bundesstaat New South Wales starb im Dezember 2015 ebenfalls ein Häftling.

Im Juni 2015 übertrug die australische Regierung die Verantwortung für grundlegende und kommunale Dienstleistungen in entlegenen indigenen Gemeinden an die Regierungen der Bundesstaaten. Dem Premierminister des Bundesstaates Western Australia zufolge ist dadurch die Existenz von bis zu 150 Gemeinden gefährdet. Dies führte zu zahlreichen Protesten, welche die Regierung von Western Australia dazu veranlassten, ein Konsultationsverfahren einzuleiten.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Australien setzte das harte Verfahren zur Abfertigung von Asylsuchenden fort, die auf dem Seeweg eintrafen. Boote mit Asylsuchenden wurden weiterhin auf See abgewiesen und Asylsuchende ohne angemessene Prüfung ihres Asylanspruchs trotz drohender Folter und anderer Misshandlungen in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt (Refoulement) oder in australische Einrichtungen auf Nauru und der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus gebracht.

Am 30. November 2015 wurden 926 Personen in einer solchen Einrichtung in Papua-Neuguinea festgehalten, während sich 543 Personen, darunter 70 Kinder, in einer "offenen Einrichtung auf Nauru befanden.

Im März 2015 veröffentlichte die Regierung das Ergebnis einer unabhängigen Prüfung der Einrichtung in Nauru, in der von Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen – von denen auch Kinder betroffen waren – sowie von Schikanen und tätlichen Angriffen berichtet wurde (siehe Länderbericht Nauru). Obwohl die australische Regierung alle Empfehlungen akzeptierte, hieß es in einem Bericht des Senats im August 2015, die Bedingungen in der Einrichtung seien "weder ausreichend, angemessen noch sicher". Im Oktober 2015 gab die Regierung von Nauru bekannt, dass Asylsuchende nicht länger inhaftiert würden, und erklärte die Hafteinrichtung zu einer offenen Einrichtung. Außerdem kündigte sie an, dass die verbleibenden 600 Asylanträge "innerhalb einer Woche" bearbeitet würden. Bis Ende Dezember 2015 war die Bearbeitung der Anträge noch nicht abgeschlossen.

Im Juni 2015 wurden vier Flüchtlinge im Rahmen eines im September 2014 unterzeichneten Abkommens nach Kambodscha gebracht. Australien hatte weitere 40 Mio. australische Dollar (rd. 28,4 Mio. Euro) als Hilfeleistungen und zusätzliche 15 Mio. australische Dollar (ca. 10,6 Mio. Euro) für Sonderausgaben gezahlt, damit Kambodscha Flüchtlinge aus der Einrichtung auf Nauru aufnimmt. Einer der vier Flüchtlinge willigte im Oktober ein, von Kambodscha wieder nach Myanmar zurückzukehren. Im November 2015 wurde ein weiterer Mann von Nauru nach Kambodscha gebracht.

Im Juni 2015 beschuldigten indonesische Beamte Australien, Schleusern umgerechnet ca. 22 000 Euro bezahlt zu haben, damit diese ein Boot mit 65 Asylsuchenden nach Indonesien zurückbringen würden. Eine Untersuchung des Falls durch den Senat war Ende des Jahres noch nicht abgeschlossen.

Australien hielt an seiner Politik der unbefristeten obligatorischen Inhaftierung aller Personen fest, die über kein gültiges Visum verfügen. Am 1. Dezember 2015 waren 1852 Personen auf dem australischen Festland in Hafteinrichtungen für Flüchtlinge und Asylsuchende inhaftiert. Unter ihnen befanden sich 104 Kinder, obwohl die Regierung im August 2014 ihre Absicht bekanntgegeben hatte, die Inhaftierung von Kindern zu beenden.

Im Juli 2015 trat der Border Force Act 2015 in Kraft. Dabei handelt es sich um ein Gesetz, das u. a. Haftstrafen für Beamte und Auftragnehmer, darunter auch Mitarbeiter in Gesundheitswesen und Kinderfürsorge, vorsieht, wenn diese Menschenrechtsverletzungen in Hafteinrichtungen für Flüchtlinge und Asylsuchende öffentlich anprangern.

Des Weiteren schlug die Regierung die Einführung von Rechtsvorschriften vor, die es Mitarbeitern in Hafteinrichtungen für Flüchtlinge und Asylsuchende erlauben, gegen Personen in Gewahrsam Gewalt – einschließlich tödlicher Gewalt – anzuwenden, ohne der gerichtlichen Kontrolle zu unterliegen.

Im August 2015 gab die Regierung bekannt, seit Dezember 2013 20 Boote mit insgesamt 633 Personen auf See zurückgeschickt zu haben. So wurde im Juli 2015 ein Boot direkt nach Vietnam zurückgeschickt. Im November 2015 schickten die Behörden Berichten zufolge ein weiteres Boot mit 16 Asylsuchenden zurück nach Indonesien.

Im September kündigte die Regierung an, mit Blick auf die Krise im Nahen Osten weitere 12.000 Resettlement-Plätze für syrische Flüchtlinge zu schaffen.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Das Parlament verabschiedete 2015 ein Gesetz, das vorsieht, dass Personen mit zwei Staatsbürgerschaften bei Verdacht auf eine Beteiligung an terrorismusbezogenen Aktivitäten die australische Staatsbürgerschaft aberkannt wird. Australiern, die über eine weitere Staatsbürgerschaft verfügten, drohte durch das Gesetz der Verlust der australischen Staatsbürgerschaft ohne Strafverfahren und mit eingeschränkten Verfahrensgarantien.

Ein neues Gesetz ermöglichte die Massenüberwachung persönlicher Metadaten.

Internationale Kontrolle

Im November 2015 fand die zweite Allgemeine Regelmäßige Überprüfung Australiens durch den UN-Menschenrechtsrat statt. Die australische Regierung wurde kritisiert, weil sie das Fakultativprotokoll des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch nicht ratifiziert hatte. Zudem wurde Kritik geübt, weil das Problem der hohen Anzahl inhaftierter Angehöriger indigener Gemeinschaften nicht angegangen worden war. Australien wurde empfohlen, gesetzliche Richtlinien zum Schutz der Menschenrechte einzuführen und die obligatorische Inhaftierung von Asylsuchenden zu beenden.

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