Amnesty Report Kuwait 07. Juni 2016

Kuwait 2016

 

Die Regierung schränkte das Recht auf freie Meinungsäußerung 2015 noch weiter ein und verabschiedete ein neues Gesetz zur Internetkriminalität. Oppositionelle und Regierungskritiker, die sich im Internet äußerten, wurden strafrechtlich verfolgt. Die Regierung verabschiedete zudem ein Gesetz, das alle kuwaitischen Staatsbürger und in Kuwait ansässigen Personen verpflichtet, aus Gründen der Terrorismusbekämpfung DNS-Proben abzugeben. Staatenlose Bidun wurden weiterhin benachteiligt und konnten keine bürgerlichen Rechte ausüben. Arbeitsmigranten waren nicht ausreichend gegen Ausbeutung und Misshandlungen geschützt. Gerichte fällten weiterhin Todesurteile, Hin-richtungen fanden jedoch nicht statt.

Hintergrund

Am 26. Juni 2015 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der schiitischen Imam-Sadiq-Moschee in Kuwait-Stadt in die Luft. Bei dem Anschlag wurden 27 Menschen getötet, mehr als 220 Personen erlitten Verletzungen. Es handelte sich um den bislang schwersten Selbstmordanschlag in Kuwait.

Im März 2015 schloss sich Kuwait einer von Saudi-Arabien geführten internationalen Militärallianz an, die in den bewaffneten Konflikt im Jemen eingriff (siehe Länderbericht Jemen).

Im Juni 2015 nahm die Regierung 179 Empfehlungen an, die der UN-Menschenrechtsrat im Rahmen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung Kuwaits ausgesprochen hatte, darunter neun zum Recht auf freie Meinungsäußerung. 71 weitere Empfehlungen wurden abgelehnt. Sie bezogen sich u. a. auf die Rechte der Bidun und die Abschaffung der Todesstrafe.

Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit

Die Behörden schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung weiterhin ein. Regierungskritiker und Online-Aktivisten wurden auf Grundlage des Strafgesetzbuchs, das die "Diffamierung" des Staatsoberhaupts, des Justizwesens oder ausländischer Staatsoberhäupter verbietet, strafrechtlich verfolgt und inhaftiert. Im Juni 2015 verabschiedete das Parlament ein neues Gesetz zur Internetkriminalität, das Meinungsäußerungen im Internet weiter einschränkt und strafbar macht sowie bestehende Verbote dahingehend ausweitet, dass sie auch soziale Medien und Blogs umfassen. Das Gesetz soll im Januar 2016 in Kraft treten.

Vermeintlich beleidigende Äußerungen in den sozialen Medien über arabische Staatsoberhäupter, wie den 2015 verstorbenen König Abdullah von Saudi-Arabien, wurden strafrechtlich verfolgt.

Im Januar 2015 verurteilte ein Gericht Abdulhakim al-Fadhli, der sich für die Menschenrechte staatenloser Bidun einsetzt, zu einem Jahr Gefängnis und anschließender Ausweisung. Ihm wurde die Teilnahme an einer Versammlung im Februar 2014 zur Last gelegt. Sie fand am dritten Jahrestag einer Demonstration statt, bei der die Forderung nach Staatsbürgerschaft für alle Bidun erhoben worden war. Im Dezember 2015 bestätigte ein Berufungsgericht das Urteil. Außerdem wurde al-Fadhli zu einer weiteren Gefängnisstrafe von fünf Jahren mit anschließender Ausweisung verurteilt. Das Gericht befand ihn für schuldig, das Staatsoberhaupt beleidigt, ein Polizeifahrzeug beschädigt und an einer verbotenen Demonstration teilgenommen zu haben.

Im März 2015 nahm die Polizei den Menschenrechtsverteidiger Nawaf al-Hendal fest, als er eine friedliche Demonstration der Opposition beobachtete. Er wurde bei der Festnahme geschlagen, zwei Tage in Gewahrsam gehalten und wegen "Teilnahme an einer verbotenen Versammlung" angeklagt. Der bekannte Regierungskritiker und frühere Parlamentsabgeordnete Musallam al-Barrak musste im Juni 2015 eine zweijährige Haftstrafe antreten. Im April 2013 war er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er in einer Rede die Regierung kritisiert hatte. Ein Berufungsgericht reduzierte das Strafmaß. Mehr als 60 weitere Personen, die gegen seine Inhaftierung protestierten, indem sie Ausschnitte aus seiner Rede veröffentlichten oder vortrugen, wurden strafrechtlich verfolgt. Zwei Personen wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, 21 weitere erhielten Bewährungsstrafen.

Im Juli 2015 verhörte die Staatsanwaltschaft 13 Personen wegen Diskussionen auf WhatsApp über ein Video aus dem Jahr 2014. In dem Video sind offenbar führende Politiker zu sehen, die sich für eine Entmachtung des Staatsoberhaupts aussprechen. Die 13 Personen, zu denen auch Mitglieder der königlichen Familie zählten, kamen gegen Kaution und unter der Auflage, Kuwait nicht zu verlassen, frei. Ihre Verfahren waren Ende 2015 noch nicht abgeschlossen.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Nach dem Bombenanschlag auf die Imam-Sadiq-Moschee im Juni 2015 verschärften die Behörden die Sicherheitsmaßnahmen. Im Zusammenhang mit dem Anschlag wurden 29 kuwaitische und ausländische Staatsbürger vor Gericht gestellt, gegen fünf von ihnen wurde in Abwesenheit verhandelt. Fünfzehn Personen wurden schuldig gesprochen, gegen sieben von ihnen ergingen Todesurteile. Im Dezember 2015 bestätigte ein Berufungsgericht die Todesstrafe in einem Fall, in einem weiteren wurde das Todesurteil in eine 15-jährige Haftstrafe umgewandelt. Die übrigen Berufungsverfahren waren zum Jahresende noch nicht abgeschlossen.

Die Behörden leiteten zudem Ermittlungen gegen Personen ein, denen die Unterstützung dschihadistischer Gruppen im Irak und in Syrien vorgeworfen wurde. Im Juli 2015 verurteilte ein Strafgericht sechs Männer zu Gefängnisstrafen von fünf bis 20 Jahren und anschließender Abschiebung. Sie waren für schuldig befunden worden, "feindselige Handlungen" gegen den Irak und Syrien verübt und damit die Beziehungen Kuwaits zu den beiden Staaten gefährdet zu haben. Außerdem hätten sie sich der verbotenen bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Zwei weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Alle acht Angeklagten hatten vor Gericht den Vorwurf erhoben, Sicherheitskräfte hätten sie während der Untersuchungshaft geschlagen, um sie zu der Abgabe von "Geständnissen" zu zwingen. Das Gericht ordnete keine Untersuchung dieser Vorwürfe an.

Im Juli 2015 billigte das Parlament ein neues Gesetz, wonach alle kuwaitischen Staatsangehörigen und in Kuwait lebenden Personen DNS-Proben abgeben müssen. Zur Begründung hieß es, dies sei eine Antiterrormaßnahme. Im Falle einer Weigerung drohen eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr und eine Geldbuße. Ebenfalls im Juli deuteten Presseberichte an, die Regierung plane eine Notverfügung, um verdächtige Personen länger ohne Anklageerhebung in Untersuchungshaft zu halten. Ende 2015 war noch keine derartige Verfügung erlassen worden.

Im September 2015 kamen weitere Foltervorwürfe ans Licht, als 25 kuwaitische und ein iranischer Staatsbürger wegen Spionage und terroristischer Straftaten vor Gericht standen. Die Angeklagten gaben an, man habe sie mit Elektroschocks gefoltert, an den Beinen aufgehängt und geschlagen, damit sie ein "Geständnis" ablegten. Die Entscheidung des Gerichts wurde für Januar 2016 erwartet.

Entzug der Staatsbürgerschaft

Im April 2015 nahmen die Behörden Sa’ad al-’Adjami fest, einen politischen Aktivisten und Berater des ehemaligen Parlamentsabgeordneten Musallam al-Barrak (siehe oben). Er wurde nach Saudi-Arabien ausgewiesen, weil er nach Ansicht der Behörden die saudi-arabische Staatsbürgerschaft besaß, was er jedoch bestritt.

Im Mai 2015 wies das für Berufungsverfahren zuständige Verwal-tungsgericht die Regierung an, dem früheren Parlamentsabgeordneten Abdulla Hashr al-Barghash die kuwaitische Staatsbürgerschaft zurückzugeben, die ihm die Behörden im Juli 2014 entzogen hatten. Die Regierung legte gegen das Urteil Rechtsmittel ein. Im November 2015 entschied das Verwaltungsgericht, für diesen Fall nicht zuständig zu sein.

Diskriminierung von <em>Bidun</em>

Mehr als 100 000 staatenlosen Bidun mit Wohnsitz in Kuwait wurde die Staatsbürgerschaft 2015 weiterhin vorenthalten. Nach Ansicht der Regierung hielten sie sich "illegal" im Land auf. Aktivisten, die sich für die Rechte der Bidun einsetzten, drohten Festnahme und strafrechtliche Verfolgung. Zwei Tage nach dem Bombenanschlag auf die Imam-Sadiq-Moschee im Juni 2015 entschieden die Behörden, keine Reisedokumente mehr für Bidun auszustellen. Ausgenommen waren lediglich Personen, die zur medizinischen Behandlung ins Ausland reisen wollten. Unter den nach dem Anschlag Festgenommenen waren auch 13 Bidun.

Die für die Angelegenheiten der Bidun zuständige Regierungsbehörde, die den Status "illegaler" Einwohner klären soll, teilte dem Parlament im August 2015 mit, es sei nicht zwingend geboten, den 31 189 Bidun, die in der Volkszählung von 1965 erfasst worden waren, die Staatsangehörigkeit zu gewähren. Bisher war diese Volkszählung von der Regierung als Grundlage für Entscheidungen über die Staatsbürgerschaft genutzt worden. Die Behörde erklärte, beim Recht auf die kuwaitische Staatsangehörigkeit sollten auch andere Überlegungen, wie z. B. Sicherheitsbelange, berücksichtigt werden. Für die Bidun bedeutete dies eine weitere Hürde bei ihren Bemühungen um den Erwerb der kuwaitischen Staatsbürgerschaft.

Frauenrechte

Kuwaitische Frauen genossen das aktive und passive Wahlrecht, wurden aber nach wie vor durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert. Vor allem bei gesetzlichen Regelungen zu Familienangelegenheiten wie Scheidung, Sorgerecht und Erbrecht waren Frauen stark benachteiligt.

Rechte von Arbeitsmigranten

Arbeitsmigranten, die in Privathaushalten, im Baugewerbe oder in anderen Branchen beschäftigt waren, wurden von ihren Arbeitgebern weiterhin ausgebeutet und misshandelt. Im Juni 2015 verabschiedete die Regierung ein Gesetz, das Hausangestellten, bei denen es sich überwiegend um Frauen handelte, erstmals Rechte gewährte. Vorgesehen waren ein arbeitsfreier Tag pro Woche, 30 Tage bezahlter Jahresurlaub sowie zum Vertragsende eine Abschlusszahlung von einem Monatslohn pro geleistetem Arbeitsjahr.

Todesstrafe

2015 wurden mindestens 15 Todesurteile verhängt, davon fünf in Abwesenheit. Es lagen keine Berichte über Hinrichtungen vor.

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