Amnesty Report 30. Mai 2016

Uganda 2016

 

Das Recht auf Versammlungsfreiheit wurde 2015 noch stärker eingeschränkt, und das Vorgehen der Polizei war von zunehmender Brutalität gekennzeichnet. Es gab weiterhin Angriffe auf Aktivisten, Journalisten und andere Medienschaffende, ohne dass die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden. Oppositionspolitiker, die für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Februar 2016 kandidieren wollten, wurden samt ihren Anhängern festgenommen und inhaftiert.

Hintergrund

Das politische Geschehen wurde 2015 vom Vorwahlkampf für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, die für Anfang 2016 angesetzt waren, dominiert. Zerwürfnisse in der Regierungspartei Nationale Widerstandsbewegung (National Resistance Movement – NRM) führten dazu, dass der ehemalige Ministerpräsident Amama Mbabazi ankündigte, als unabhängiger Kandidat für das Präsidentenamt antreten zu wollen. In der Folge häuften sich gewaltsame Polizeieinsätze, willkürliche Festnahmen und Folter. Zahlreiche öffentliche Versammlungen wurden ohne rechtliche Grundlage aufgelöst. Mitglieder und Unterstützer oppositioneller Parteien wurden schikaniert, festgenommen und inhaftiert.

Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle waren nach wie vor Diskriminierung, Schikanen und Gewalt ausgesetzt, ohne dass die Täter zur Rechenschaft gezogen wurden. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Menschenrechtsverteidiger wurden von den Behörden weiterhin angefeindet. Das Parlament beriet 2015 über ein neues Gesetz zu Nichtregierungsorganisationen, das im November verabschiedet wurde.

Polizei und Sicherheitskräfte

Unter staatlicher Anleitung wurden Tausende Freiwillige zur "Verbrechensvorbeugung" rekrutiert und ausgebildet, die ein paramilitärisches Netzwerk aus lokalen Hilfspolizisten bildeten. Ihnen wurden schwere Menschenrechtsverletzungen in allen Teilen des Landes nachgesagt.

Folter und andere Misshandlungen

Am 16. Juli 2015 nahmen Sicherheitsbeamte den Sprecher der NRM-Gruppe Poor Youth, Vincent Kaggwa, in seinem Haus im Stadtviertel Wandegeya in Kampala fest. Der 25-Jährige wurde während seiner viertägigen Haft gefoltert und verhört. Dabei ging es um seine politische Unterstützung des ehemaligen Ministerpräsidenten Amama Mbabazi.

Am 14. September 2015 wurde der Sicherheitschef von Amama Mbabazi, Christopher Aine, in Kampala festgenommen. Er wurde mit verbundenen Augen in ein "Sicherheitshaus" an einem unbekannten Ort gebracht und dort gefoltert. Dabei schlug man ihn mit Eisenstangen und Stöcken auf verschiedene Körperteile, bevor er am 17. September freigelassen wurde.

Berichten zufolge gab es zwischen September 2014 und August 2015 mindestens zehn Fälle von tätlichen Angriffen, mutmaßlicher Folter und widerrechtlichen Festnahmen durch Hilfspolizisten.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Journalisten und andere Medienschaffende wurden bei ihrer Arbeit weiterhin von der Polizei angegriffen, schikaniert und eingeschüchtert, insbesondere in ländlichen Regionen.

Am 12. Januar 2015 griff die Polizei den Kameramann Andrew Lwanga tätlich an, als er ein Treffen jugendlicher Aktivisten filmte, die sich in der Bruderschaft der Arbeitslosen (Jobless Brotherhood) zusammengeschlossen haben. Er erlitt dabei so schwere Verletzungen, dass er in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Ein gegen den mutmaßlichen Täter eingeleitetes Strafverfahren war noch anhängig.

Am 23. Januar 2015 wurden die Rundfunkjournalisten Gerald Kankya und Simon Amanyire von einer aufgebrachten Menschenmenge in Fort Portal im Westen des Landes angegriffen.

Am 8. Juli 2015 teilte die staatliche Regulierungsbehörde (Uganda Communications Commission) allen Radio- und Fernsehsendern mit, sie sollten sich vor "negativen und unprofessionellen Trends" hüten, wie "Unausgewogenheit, Sensationsgier, Aufhetzung, Beschimpfung und Nutzung unerlaubter und unzuverlässiger Informationsquellen". Viele Medienbeobachter bewerteten die Direktive als Angriff auf die Meinungsfreiheit im Vorfeld der Wahlen 2016.

Am 14. Oktober 2015 wurde der Journalist Alfred Ochwo festgenommen und von Polizeibeamten tätlich angegriffen. Er hatte zuvor über die Festnahme des Parlamentsabgeordneten Ssemujju Ibrahim Nganda berichtet, der den Wahlkreis Kyadondo East vertrat.

Im Juli 2015 veröffentlichte die Enthüllungsplattform WikiLeaks Informationen über geschäftliche Verhandlungen zwischen dem Büro des Präsidenten und dem Spionagesoftwarehersteller Hacking Team. Im Oktober 2015 berichtete die Organisation Privacy International, das ugandische Militär habe Schadsoftware gekauft und gegen tatsächliche oder vermeintliche politische Gegner eingesetzt. Privacy International berichtete außerdem, im Parlament sowie in wichtigen Regierungsgebäuden und Hotels seien "Zugangspunkte" der Überwachungssoftware FinFisher eingerichtet worden. Die Regierung wies die Berichte zurück.

Recht auf Versammlungsfreiheit

Während des gesamten Jahres 2015 störte oder verhinderte die ugandische Polizei zahlreiche öffentliche Versammlungen, die von Oppositionsparteien organisiert worden waren. Zur Begründung wurde routinemäßig auf das Gesetz über die Regelung der öffentlichen Ordnung (Public Order Management Act) aus dem Jahr 2013 verwiesen. In vielen Fällen wurden die Organisatoren in "Präventivhaft" genommen.

Am 9. Juli 2015 wurden Amama Mbabazi und der ehemalige Parteivorsitzende des Forums für Demokratischen Wandel (Forum for Democratic Change – FDC), Kizza Besigye, bei zwei getrennten Polizeiaktionen festgenommen und daran gehindert, an geplanten politischen Veranstaltungen teilzunehmen. Beide kamen in "Präventivhaft". In den darauffolgenden Tagen wurden 14 jugendliche Aktivisten inhaftiert, sieben von ihnen nach einer friedlichen Pressekonferenz.

Am 9. September 2015 kamen im Vorfeld einer von Amama Mbabazi organisierten öffentlichen Kundgebung in Soroti im Osten des Landes zahlreiche Polizisten zum Einsatz. Augenzeugen und andere Quellen berichteten, dass die Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Teilnehmenden vorging.

Am 10. September 2015 wurde Amama Mbabazi daran gehindert, an einer Sitzung in Jinja im Osten des Landes teilzunehmen. Die Polizei blockierte seine Anreise durch Einsatz exzessiver Gewalt und eskortierte ihn nach Kampala zurück. Vor seiner geplanten Ankunft in Jinja trieb die Polizei Hunderte seiner Anhänger mit Gummigeschossen und Tränengas auseinander. Dabei wurden auch Tränengasgranaten in den Schulhof einer Grundschule geschossen.

Am 10. Oktober 2015 versuchte Kizza Besigye mit seinem Wahlkampfteam im Konvoi nach Rukungiri zu reisen. Die Polizei verhinderte eine öffentliche Versammlung, die dort stattfinden sollte, und inhaftierte Kizza Besigye sowie einige seiner Begleiter. Am selben Tag wurde die FDC-Aktivistin Fatuma Zainab festgenommen und von drei Polizeibeamten entkleidet, was landesweit für Empörung sorgte. Am 15. Oktober kam Kizza Besigye erneut in "Präventivhaft".

Menschenrechtsverteidiger

Am 27. November 2015 verabschiedete das Parlament ein Gesetz über Nichtregierungsorganisationen; die Unterzeichnung durch Präsident Yoweri Museveni stand Ende 2015 noch aus. Das neue Gesetz sah straf- und zivilrechtliche Sanktionen für Organisationen vor, deren Tätigkeiten "die Interessen Ugandas oder die Würde des ugandischen Volkes beeinträchtigen". Das Gesetz stand weder in Einklang mit regionalen und internationalen Menschenrechtsstandards noch mit der ugandischen Verfassung, in der das Recht auf Vereinigungsfreiheit verankert ist.

Das gesamte Jahr 2015 über wurden Menschenrechtsorganisationen Opfer von Einbrüchen und anderen Angriffen. Am 30. Juni 2015 wurde in die Büroräume des Menschenrechtsnetzwerks für Journalisten (Human Rights Network for Journalists-Uganda) eingebrochen. Dabei wurden mehrere Computer, Laptops und Dokumente gestohlen. Am 17. Juli 2015 gab es einen Einbruch in die Büroräume der NGO Uganda Land Alliance in einem Außenbezirk von Kampala, bei dem ein Wachmann getötet wurde . Im Juli 2015 begann die für Registrierungen zuständige Behörde (Uganda Registration Services Bureau) mit einer Untersuchung der zivilgesellschaftlichen Organisation Great Lakes Institute for Strategic Studies. Dem Institut wurde vorgeworfen, seine Aktivitäten richteten sich gegen Regierungsprogramme.

Am 17. Oktober 2015 fand ein Einbruch in die Büroräume der Menschenrechtsorganisation Soroti Development Association and NGOs Network statt.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Im Mai 2015 wurde die ugandische Sängerin Jemimah Kansiime inhaftiert, nachdem sie ein Musikvideo veröffentlicht hatte, das gegen das Anti-Pornographiegesetz (Anti-Pornography Act) von 2014 verstoßen haben soll. Eine Entscheidung des Verfassungsgerichts, ob dieses Gesetz verfassungsgemäß ist, stand noch aus.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgeschlechtlichen und Intersexuellen

Während des gesamten Jahres 2015 wurden Personen wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität angegriffen. In der zweiten Jahreshälfte war eine Zunahme der angezeigten Fälle zu verzeichnen.

Ein im Jahr 2014 vorgelegter Gesetzentwurf zum Verbot der Förderung widernatürlicher sexueller Praktiken war im Parlament noch nicht beraten worden. Der Entwurf war von demselben diskriminierenden Geist geprägt wie das Gesetz gegen Homosexualität von 2014, das vom Verfassungsgericht für null und nichtig erklärt worden war. Der neue Gesetzentwurf sah strafrechtliche Sanktionen für die "Förderung" sogenannter unnatürlicher sexueller Praktiken vor, zu denen auch einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen gleichgeschlechtlichen Erwachsenen gezählt wurden. Wie bereits im Gesetz gegen Homosexualität wurden Bildungsmaßnahmen, Rechtsberatung und Gesundheitsdienste für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle unter Strafe gestellt.

Internationale Strafgerichtsbarkeit

Am 6. Januar 2015 wurde Dominic Ongwen, ein hochrangiger Kommandant der bewaffneten Gruppe Lord’s Resistance Army (LRA) von US-Streitkräften in der Zentralafrikanischen Republik in Gewahrsam genommen und anschließend an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag überstellt. Der IStGH hatte Dominic Ongwen 2005 wegen Straftaten angeklagt, die 2004 im Bezirk Gulu in Norduganda verübt wurden. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Die Vorverfahrenskammer des Gerichts empfahl am 10. September 2015 dem IStGH-Präsidium, die Anhörung zur Bestätigung der Anklage in Uganda abzuhalten.

Die Haftbefehle des IStGH gegen den LRA-Anführer Joseph Kony und zwei weitere LRA-Kommandanten blieben weiterhin in Kraft. Ende 2015 waren die Männer noch flüchtig.

Am 30. März 2015 erschossen Unbekannte in Kampala die Leiterin der für Terrorismus und Kriegsverbrechen zuständigen Abteilung der Staatsanwaltschaft, Joan Kagezi.

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