Amnesty Report Paraguay 20. Mai 2017

Paraguay 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Zwar konnten bei der Armutsbekämpfung Fortschritte verzeichnet werden, Kinder und Jugendliche blieben jedoch nach wie vor die am stärksten von Armut betroffene Bevölkerungsgruppe. Indigenen Gemeinschaften wurden weiterhin die Rechte auf ihr angestammtes Land sowie auf die freiwillige, vorherige und informierte Zustimmung zu Projekten mit Auswirkungen auf ihre Lebensgrundlagen verweigert. Sowohl indigene Gemeinschaften als auch Afro-Paraguayer waren rassistischer Diskriminierung ausgesetzt. Der Entwurf für ein Gesetz zur Beendigung aller Formen der Diskriminierung war zum Jahresende noch nicht vom Parlament verabschiedet worden. Berichten zufolge kam es zu Verletzungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und zur Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten. Schwangerschaftsabbrüche galten weiterhin als Straftaten, und Schwangerschaften von Mädchen gaben weiterhin Anlass zur Sorge.

HINTERGRUND

Nachdem das Amt sieben Jahre nicht besetzt gewesen war, wurde im Oktober 2016 ein neuer Ombudsmann (Defensor del Pueblo) ernannt.

INTERNATIONALE KONTROLLE

Im Januar 2016 wurde die Lage der Menschenrechte in Paraguay im Rahmen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) durch den UN-Menschenrechtsrat begutachtet. Die daraus resultierenden Empfehlungen an die paraguayische Regierung enthielten u. a. die Aufforderung, ein Gesetz zur Beendigung aller Formen der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität zu erlassen und rechtliche Maßnahmen zur Verhinderung und Bestrafung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu entwickeln. Zudem wurde die Regierung aufgefordert, den Schutz der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen zu stärken, die freie Ausübung der Presse- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten und der Straffreiheit bei Menschenrechtsverletzungen gegen Menschenrechtsverteidiger und Journalisten ein Ende zu setzen. Paraguay akzeptierte die Empfehlungen mit Ausnahme derjenigen, die sich auf die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bezogen.

Im Oktober 2016 veröffentlichte der UN-Ausschuss für die Beseitigung rassistischer Diskriminierung (CERD) auf der Grundlage der von Paraguay vorgelegten regelmäßigen Berichte Nr. 4 bis 6 seinen Bericht sowie seine abschließenden Bemerkungen. Zu den darin an die Regierung gerichteten Empfehlungen gehörte die dringende Aufforderung, spezielle Fördermaßnahmen zu ergreifen, um die systemische Diskriminierung von indigenen Bevölkerungsgruppen und Afro-Paraguayern zu beenden. Der Ausschuss wies auch darauf hin, dass der Staat die Rechte der indigenen Bevölkerungsgruppen auf vorherige Konsultation sowie auf ihr angestammtes Land, ihre Territorien und Ressourcen nicht ausreichend schütze.

Im November 2016 traf sich die UN-Sonderberichterstatterin über das Recht auf Nahrung bei einer Reise nach Paraguay mit Behördenvertretern und Bürgern. Ihr Bericht wurde für 2017 erwartet.

RECHTE INDIGENER BEVÖLKERUNGSGRUPPEN

Im Februar 2016 erließ die Interamerikanische Menschenrechtskommission zugunsten der in freiwilliger Isolation lebenden indigenen Gemeinschaften der Ayoreo Totobiegosode Schutzmaßnahmen, mit denen die paraguayische Regierung aufgefordert wurde, die Gemeinschaften vor dritten Parteien zu schützen, die Zugang zu ihrem angestammten Land forderten. Im Oktober rief der CERD Paraguay auf, diese Schutzmaßnahmen in vollem Umfang umzusetzen.

Im Oktober 2016 war die Gemeinschaft der Yakye Axa noch immer ohne Zugang zu ihrem Land, obwohl der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte angeordnet hatte, dass die Regierung eine Zugangsstraße bauen müsse. Der CERD forderte Paraguay auf, seine Anstrengungen zur wirksamen Umsetzung der Anordnung des Gerichtshofs zu verstärken.

Das Verfahren bezüglich des Eigentumsrechts an Ländereien, von denen die indigene Gemeinschaft der Sawhoyamaxa verdrängt worden war, war Ende des Jahres noch immer anhängig, obwohl der Oberste Gerichtshof bereits im Juni 2015 das Rechtsmittel eines Viehzuchtunternehmens abgewiesen hatte. Das Rechtsmittel zielte darauf ab, die Umsetzung eines Gesetzes auszuhebeln, mit dem das Land an die Gemeinschaft zurückübertragen wurde.

Ebenfalls im Oktober 2016 rief der CERD Paraguay auf, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um gegen die Probleme beim Zugang zu Nahrung, Trinkwasser und sanitären Einrichtungen, unter denen indigene Gemeinschaften und Afro-Paraguayer in ländlichen Regionen leiden, sowie gegen die Unterernährung von Kindern dieser Bevölkerungsgruppen vorzugehen.

RECHT AUF WOHNEN – RECHTSWIDRIGE ZWANGSRÄUMUNGEN

Im September 2016 legten Mitglieder des Senats bei der Generalstaatsanwaltschaft Beschwerde wegen der rechtswidrigen Zwangsräumung der kleinbäuerlichen Gemeinde Guahory und der fehlenden Untersuchung der Situation durch die Regierung ein. Von der Zwangsräumung waren 200 Familien betroffen. Im Dezember 2016 kam es in Guahory zu einer weiteren Zwangsräumung. Zu diesem Zeitpunkt fand ein Dialogprozess zwischen Angehörigen der Gemeinde und Vertretern der nationalen Behörde für städtische Entwicklung statt, bei dem Informationen im Zusammenhang mit Landbesitzrechten in der Gemeinde überprüft werden sollten.

Laut Berichten von Menschenrechtsorganisationen wurden die Angehörigen der indigenen Gemeinschaft der Avá Guaraní de Sauce im September 2016 im Zusammenhang mit dem Wasserkraftwerk Itaipu Opfer einer rechtswidrigen Zwangsräumung.

JUSTIZSYSTEM

Im Juli 2016 äußerte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Bedenken wegen der Verurteilung von elf Kleinbauern im Zusammenhang mit einem Massaker in Curuguaty, bei dem 17 Menschen getötet worden waren. Laut Berichten kam es während des Prozesses zu Unregelmäßigkeiten hinsichtlich des Rechts auf angemessene Verteidigung und ein ordentliches Gerichtsverfahren.

Einer UPR-Empfehlung folgend leitete der Senat im Oktober 2016 ein Verfahren zur Bildung eines unabhängigen Ausschusses zur Untersuchung des Massakers von Curuguaty ein, um den Zugang der Opfer und ihrer Familienangehörigen zu Gerechtigkeit sicherzustellen.

RECHTE VON FRAUEN UND MÄDCHEN

Im Dezember 2016 erließ die Abgeordnetenkammer Gesetz 5777 über den umfassenden Schutz von Frauen vor allen Formen der Gewalt. Femizid wurde als eigenständiger Straftatbestand anerkannt, der mit mindestens zehn Jahren Freiheitsentzug zu bestrafen ist. Auch wurde ein Verbot von zuvor verpflichtenden außergerichtlichen Schlichtungsverfahren zwischen Gewaltopfern und Tätern beschlossen. Das Gesetz sollte nach einem Jahr in Kraft treten.

Die Anzahl der Schwangerschaften bei jungen Mädchen war alarmierend hoch. Im Oktober berichtete die NGO Centro de Documentación y Estudios, dass jedes Jahr im Durchschnitt 500 bis 700 Mädchen im Alter zwischen 10 und 14 Jahren schwanger würden. Auch in einem Bericht des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) mit dem Titel Paraguay Joven (Junges Paraguay) wurde das Problem der frühen Schwangerschaften herausgestellt. Darin hieß es, dass in Bezug auf Schwangerschaften in dieser Altersgruppe in den vergangenen zehn Jahren ein Anstieg von mehr als 62,6 % verzeichnet worden sei. Als Hauptursachen dafür wurden Gewalt gegen Frauen, soziale Ausgrenzung und die herrschende "Macho-Kultur" angeführt.

RECHT AUF FREIE MEINUNGSÄUßERUNG

Im November 2016 wurde ein Gesetzentwurf zur Einrichtung von Schutzmechanismen für Journalisten, Medienschaffende und Menschenrechtsverteidiger ins Parlament eingebracht. Ein ausschlaggebender Grund für die Forderung nach verbessertem Schutz war die Tatsache, dass seit 1991 insgesamt 17 Journalisten ermordet worden waren, ohne dass Ermittlungen eingeleitet und die Täter strafrechtlich verfolgt wurden.

MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER

Der Rechtsanwältin und Menschenrechtsverteidigerin Julia Cabello Alonso wurde angedroht, aus der Anwaltskammer von Paraguay ausgeschlossen und somit an der Ausübung ihres Berufs gehindert zu werden. Man warf ihr vor, gegen die Berufsethik verstoßen zu haben, als sie sich für die Landrückgabe an indigene Bevölkerungsgruppen einsetzte.

In seinem Bericht vom Oktober 2016 empfahl der CERD Paraguay, Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz von Menschenrechtsverteidigern vor Einschüchterung, Bedrohungen und willkürlichen Maßnahmen durch Regierungsbeamte zu verbessern. Die Schutzmaßnahmen sollen Sprecher indigener Gemeinschaften und Personen, die sich für den Schutz der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen einsetzen, miteinbeziehen.

Auch der UN-Menschenrechtsrat empfahl Paraguay, gegen die Straflosigkeit vorzugehen, die in Bezug auf jegliche Form von Menschenrechtsverletzungen gegen Menschenrechtsverteidiger herrschte. Zudem empfahl er, Vorwürfe über menschenrechtsverletzende Vorgehensweisen der Sicherheits- und Strafverfolgungskräfte gegen Indigene zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

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